Nationale Gerichte haben sich erneut mit Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH gewandt. Ein Gutachter des Gerichts bekräftigte nun in seinen Schlussanträgen die vorherigen Urteile: Die Speicherung ist nur bei einer ernsten Bedrohung für die nationale Sicherheit zulässig.1
Generalanwalt legt Gutachten vor
Noch hat der EuGH nicht entschieden – aber Generalanwalt und Gutachter am Gericht, Campos Sánchez-Bordona, hat bereits seine Sicht der Dinge dargelegt. Mehrere Gerichte aus EU-Staaten hatten sich mit Vorabentscheidungsersuchen zur Vorratsdatenspeicherung an den EuGH gewandt; darunter zwei Er suche des Bundesverwaltungsgerichts zum Fall der Bundesnetzagentur mit dem Internetprovider SpaceNet und der Telekom.2 Die Behörde hatte Revision gegen zwei Urteile eingelegt, nach denen den Klagen der beiden Dienstleister stattgegeben worden war. Mit den Klagen hatten sich die beiden Unternehmen dagegen gewehrt, Daten nach einer deutschen Vorschrift für den Zugriff durch Behörden aufzubewahren. Die Bundesnetzagentur hatte die Regelung nach einem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Münster 2017 außer Kraft gesetzt.
Weitere Anfragen aus Frankreich und Irland
Die weiteren Ersuchen kommen von nationalen Gerichten aus Frankreich und Irland. In dem Fall des französischen Kassationsgerichtshofs geht es um die Klagen zweier Bürger.3 Sie wurden angeklagt wegen Insiderhandel und Geldwäsche. Für die Ermittlungen der Finanzmarktaufsicht wurden personenbezogene Daten für Telefonanschlüsse auf Grundlage französischer Regelungen verwendet. In Frankreich erlauben es bislang die nationalen Regelungen, Daten zu speichern, um Insidergeschäften in der Wirtschaft einen Riegel vorzuschieben.
In Irland legte der Oberste Gerichtshof ein Ersuchen vor.4 Darin klagte ein wegen Mordes verurteilter Mann gegen eine irische Vorschrift, die die Speicherung von Telefondaten erlaubt. Auf Grundlage der Regelung hatte die Anklage seine Daten als Beweise für den Prozess verwendet.
Gutachter: Antworten bereits in EuGH Rechtsprechung zu finden
In seinen Schlussanträgen wurde Sánchez- Bordona deutlich: Es sei zu erwarten gewesen, dass die Debatte mit den vorherigen Urteilen aus den Jahren 2014, 2016, 2018 und zuletzt 2020 ein Ende gefunden habe. Die Antworten seien bereits in der EuGH-Rechtsprechung zu finden oder könnten unschwer aus ihr abgeleitet werden.
Schwere Gefahr für Grundrechte
In Deutschland betreffe die Pflicht zur Datenspeicherung eine große Vielzahl von Verkehrs- und Standortdaten. An der Unzulässigkeit ändere auch die zeitliche Begrenzung nichts. Diese müsse grundsätzlich selektiv erfolgen. Mit der allgemeinen Speicherung sei eine schwere Gefahr verbunden. Der Zugang zu den Daten stelle auf jeden Fall einen schweren Eingriff in die Grundrechte auf Familien und Privatleben sowie den Schutz personenbezogener Daten dar. Die Speicherung sei nur bei einer ernsten Bedrohung für die nationale Sicherheit erlaubt.
Anmerkung
Während Verbraucherschützer und Bürgerrechtler die Vorratsdatenspeicherung für unzulässig halten, sieht es die Sicherheitspolitik in vielen EU-Staaten für unerlässlich, um gegen Terrorismus, Kinderpornografie und organisierte Kriminalität vorzugehen. Die Richter in Luxemburg sind an die Einschätzung des Gutachters nicht gebunden. Allerdings orientieren sie sich häufig daran. Das Urteil dürfte in einigen Monaten fallen (Stand: 25.11.2021).