RICHARD BOORBERG VERLAG

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30.12.2024

Tausch des Familienheims erbschaftsteuerlich nicht erlaubt

   

Darf das Familienheim nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz (ErbStG) durch ein vergleichbares, ebenfalls zur Erbmasse gehörendes Objekt ersetzt werden? Hierüber hatte das Finanzgericht Niedersachsen zu entscheiden.

E ist der alleinige Erbe von M, seiner Mutter. Neben Giralgeld und anderen Kapitalforderungen war auch Grundvermögen Teil der Erbmasse. Dazu gehörten mehrere Wohnungen im Mehrfamilienhaus X in Y. Darunter befanden sich die von M zu ihrem Tod selbst bewohnte Dachgeschosswohnung sowie die Wohnung von E, die er von M gemietet hatte. Die Wohnung von E befand sich genau ein Stockwerk unter der Wohnung von M. Die Wohnungen waren baugleich. Nach dem Tod von M bezog E nicht deren Wohnung, sondern verblieb weiterhin in seiner Wohnung. Die Wohnung, die M bewohnt hatte, vermietete E an Dritte. Mit der Erbschaftsteuererklärung beantragte E für beide Wohnungen zunächst die Steuerbefreiung nach § 13d Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 ErbStG.

Das Finanzamt gewährte die beantragte Steuerbefreiung nur für die von M an E vermietete Wohnung Nr. 2 ATP. Für die Wohnung der M berücksichtigte es den gesondert festgestellten Grundbesitzwert in voller Höhe. E legte Einspruch gegen den Erbschaftsteuerbescheid ein und begehrte erstmals eine Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c Satz 1 ErbStG für die von ihm bewohnte Wohnung. Auch wenn die gesondert festgestellten Grundbesitzwerte voneinander abwichen, handele es sich um nahezu identische Wohnungen im selben Objekt. Ein Wohnungstausch sei deshalb nicht sinnvoll gewesen. Das Finanzamt folgte der Argumentation nicht, sondern wies den Einspruch als unbegründet zurück, woraufhin E klagte – erfolglos.

Begehrte Steuerbefreiung zu Recht nicht gewährt

Gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 4c Satz 1 ErbStG ist der Erwerb von Todes wegen des Eigentums an einem im Inland belegenen bebauten Grundstück im Sinne des § 181 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 Bewertungsgesetz (BewG) durch Kinder im Sinne der Steuerklasse I Nr. 2 von der Erbschaftsteuer befreit, soweit der Erblasser darin bis zum Erbfall eine Wohnung zu eigenen Wohnzwecken genutzt hat oder bei der er aus zwingenden Gründen an einer Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken gehindert war, die beim Erwerber unverzüglich zur Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken bestimmt ist (Familienheim) und soweit die Wohnfläche der Wohnung 200 qm nicht übersteigt.

Eine Wohnung ist zur Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken bestimmt, wenn der Erwerber die Absicht hat, die Wohnung selbst zu eigenen Wohnzwecken zu nutzen, und diese Absicht auch tatsächlich umsetzt. Die Absicht des Erwerbers zur Selbstnutzung der Wohnung lässt sich als eine innere Tatsache nur anhand äußerer Umstände feststellen. Erforderlich ist deshalb, dass der Erwerber in die Wohnung einzieht und sie als Familienheim für eigene Wohnzwecke nutzt. Die bloße Widmung zur Selbstnutzung – beispielsweise durch Angabe in der Erbschaftsteuererklärung – reicht nicht aus, wenn kein tatsächlicher Einzug erfolgt.

Nutzt der Erwerber das Familienheim nach dem Erwerb nicht für eigene Wohnzwecke, kommt eine Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG selbst dann nicht in Betracht, wenn zwingende Gründe im Sinne des § 13 Abs. 1 Nr. 4c Satz 5 ErbStG den Erwerber an einer Selbstnutzung hindern.

Begünstigungsfähiges Familienheim genau definiert

Im Streitfall erfüllt die Wohnung, die M an E vermietet hatte, nicht den Tatbestand von § 13 Abs. 1 Nr. 4c Satz 1 ErbStG, da die Erblasserin M diese Wohnung nicht zu eigenen Wohnzwecken genutzt hatte. Daher ist diese Wohnung kein begünstigungsfähiges Familienheim. Auch die Wohnung, die M selbst bis zu ihrem Tod bewohnt hatte, erfüllt nicht den Tatbestand von § 13 Abs. 1 Nr. 4c Satz 1 ErbStG.

Diese Wohnung stellte zwar das Familienheim der Erblasserin M dar, da sie bis zu ihrem Tode darin gewohnt hat. E ist als Kind der M auch eine von der Befreiungsvorschrift des § 13 Abs. 1 Nr. 4c Satz 1 ErbStG erfasste Person. Er hat das Familienheim jedoch nicht unverzüglich nach dem Erbfall zur Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken bestimmt, denn er zog nicht in diese Wohnung ein. Die Wohnungen dürfen auch nicht einfach gegenseitig ersetzt werden, denn die Vorschrift ist nicht dahingehend auszulegen, dass das Familienheim durch eine andere Wohnung im selben Mehrfamilienhaus substituiert werden kann.

Zweck der Befreiungsvorschrift nicht beliebig ausdehnbar

Der Gesetzgeber beabsichtigte mit der Einführung der Befreiungsvorschrift, das Familiengebrauchsvermögen krisenfest zu erhalten. Es soll sichergestellt werden, dass Wohneigentum bis zu einer bestimmten Grenze an die in Hausgemeinschaft lebenden Kinder dann steuerfrei vererbt werden kann, wenn der Erbe ansonsten wegen seiner Erbschaftsteuerverpflichtungen zur Veräußerung gezwungen wäre.

Dem Sohn, der nicht in die von der Erblasserin bis zu deren Tod genutzte Wohnung umzog, kam es gerade nicht auf den Erhalt des gegenständlich- räumlichen Fortbestands des eigengenutzten Wohneigentums seiner Mutter und Erblasserin an. Der bestimmte Gegenstand des Nachlassvermögens, der als Familiengebrauchsvermögen nach der Intention des Gesetzgebers geschützt ist, kann nur die von der Erblasserin bewohnte Eigentumswohnung Nr. 1 ATP sein, denn nur hier befand sich auch der Mittelpunkt des familiären Lebens der Erblasserin. Mit seinem Begehr, die Steuerbefreiung für die nicht durch die Erblasserin genutzte Wohnung zu berücksichtigen, manifestiert der Sohn, dass es ihm primär darauf ankommt, die in dieser Eigentumswohnung ruhenden Vermögenswerte zu sichern. Dem Zweck der Sicherung von Vermögenswerten wird jedoch bereits durch die allgemeinen erbschaftsteuerlichen Freibeträge gedient. Hierfür bedarf es der für die erbschaftsteuerliche Privilegierung des Familienheims geschaffenen Vorschrift des § 13 Abs. 1 Nr. 4c Satz 1 ErbStG gerade nicht, sodass eine analoge Anwendung dieser Norm auf die nicht als Familienheim zu klassifizierende Wohnung ausscheidet.

Autoren:
Claudia Ossola-Haring
Quelle:
FG Niedersachsen, Urteil vom 13.03.2024 – 3 K 154/23.