Ein Mann hatte durch Testament eine Bekannte zur Alleinerbin eingesetzt. Seine einzige Tochter sollte daher lediglich den gesetzlichen Pflichtteil erhalten. Nachdem der Vater verstorben war, verlangte die pflichtteilsberechtigte Tochter von der Erbin Zahlung ihres Pflichtteils. Die Erbin räumte das Bestehen eines solchen Anspruchs dem Grunde nach ein, lehnte jedoch eine Zahlung ab; denn sie könne die Höhe der Erbschaft und damit die Höhe des Pflichtteils wegen noch bestehender zweifelhafter Forderungen gegen den Nachlass nicht zutreffend beziffern. Das erstinstanzliche Gericht gab der Pflichtteilsberechtigten Recht; folglich hatte die Erbin die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Hiergegen wehrte sie sich, hatte damit jedoch beim Oberlandesgericht Koblenz keinen Erfolg.
Pflichtteilsanspruch
Ist ein Abkömmling des Erblassers durch Verfügung von Todes wegen von der Erbfolge ausgeschlossen, so kann er von dem Erben den Pflichtteil verlangen. Der Pflichtteil besteht in der Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils. Im vorliegenden Fall hatte der Vater durch Testament eine dritte Person als Erbin eingesetzt. Hierdurch wurde seine Tochter von der Erbfolge ausgeschlossen; sie konnte daher von der Erbin ihren Pflichtteil verlangen.
Diese Konstellation stand im vorliegenden Fall außer Frage. Gegenstand des Verfahrens war jedoch, ob die Erbin bereits dann den Pflichtteilsanspruch berechnen und auszahlen muss, wenn auf den Nachlass möglicherweise noch Forderungen zukommen können.
Erbe trägt Risiko bezüglich der Höhe der Erbschaft
Nach Auffassung des Oberlandesgerichts hatte hier die Erbin das Risiko einer ungewissen Forderung gegen das Erbe zu tragen.
Das Gesetz regele in § 2313 Abs. 2 S. 1 BGB, dass ungewisse Verbindlichkeiten den Wert des Nachlasses nicht schmälern. Das Gesetz sehe also eine eindeutige Risikoverteilung zulasten der Erbin vor. Sie hätte also die Forderung der pflichtteilsberechtigten Tochter ausgleichen müssen, selbst wenn später evtl. Forderungen Dritter den Nachlass schmälern würden. Das Gericht wies darauf hin, dass dann, wenn sich der Wert des Nachlasses später verringere, die Erbin einen Rückforderungsanspruch wegen des überzahlten Betrages gegen die pflichtteilsberechtigte Tochter habe. Sollte sich dieser Anspruch dann nicht mehr realisieren lassen – etwa wegen Vermögenslosigkeit der Tochter – so habe dieses Risiko ebenfalls die Erbin zu tragen.
Damit wurden der Erbin die Kosten des Rechtsstreits insgesamt auferlegt.