Ein Mann schloss als Verbraucher bei seiner Bank zwei Kreditverträge zur Finanzierung zweier Eigentumswohnungen.
Am 10. 11. 2005 überließ die Bank dem Darlehensnehmer zwei vorformulierte Dokumente, die eine Widerrufsbelehrung enthielten. Der Darlehensnehmer unterzeichnete die Dokumente und stellte die vereinbarten Sicherheiten, insbesondere bestellte er Grundschulden an den betreffenden Immobilien. Daraufhin zahlte die Bank die Darlehen aus.
Der Darlehensnehmer zahlte jeden Monat die Darlehenszinsen und Tilgungsbeträge bis November 2015. Mit Schreiben vom 14. 11. 2015 widerrief er die beiden Darlehensverträge. Zur Begründung verwies er darauf, dass die ihm beim Vertragsschluss überlassene Widerrufsbelehrung nicht im Einklang mit dem geltenden Recht stehe.
Da die Bank dies nicht akzeptierte, erhob er Klage auf Verurteilung der Bank zur Rückzahlung der geleisteten Tilgungen sowie der Zinsleistungen; darüber hinaus verlangte er für diese Beträge einen Nutzungsersatz, also ein Entgelt dafür, dass die Bank mit den von ihm gezahlten Beträgen zwischenzeitlich gewinnbringend wirtschaften konnte.
Das mit dem Rechtsstreit befasste Landgericht Bonn war der Auffassung, dass nach deutschen Rechtsvorschriften der Darlehensnehmer nicht nur die Zins- und Tilgungsleistungen, sondern auch hierauf Nutzungsersatz verlangen könne. Allerdings war das Gericht ferner der Ansicht, dass EU-Recht betroffen sei und daher möglicherweise der Darlehensnehmer nach Widerruf doch keinen Nutzungsersatz verlangen könne. Es legte daher dem Gerichtshof der Europäischen Union1 folgende Frage zur Vorabentscheidung vor: Ist die einschlägige EU-Richtlinie dahingehend auszulegen, dass sie einer bundesdeutschen Rechtsvorschrift entgegensteht, die nach erklärtem Widerruf eines Fernabsatz- Darlehensvertrags vorsieht, dass die Bank dem Verbraucher über Zins- und Tilgungsbeträge hinaus auch Nutzungsersatz auf diese Beträge zu zahlen hat?
Der EuGH bejahte diese Frage, sodass der Darlehenskunde keinen Nutzungsersatz verlangen kann.
Widerruf möglich
Unumstritten war, dass der Darlehenskunde im vorliegenden Fall den Darlehensvertrag selbst zehn Jahre nach Vertragsabschluss noch widerrufen konnte. Die gesetzlichen Regelungen hierzu sehen vor, dass die zweiwöchige Widerrufsfrist bei Fernabsatzgeschäften nur dann zu laufen beginnt, wenn die dem Verbraucher erteilte Widerrufsbelehrung ordnungsgemäß ist. Ist dies – wie hier – nicht der Fall, so ist auch Jahre später noch ein Widerruf seitens des Verbrauchers möglich, der im Ergebnis zur Rückabwicklung des Fernabsatzvertrags (hier: Darlehensvertrag) führt.
Bank muss lediglich erhaltene Beträge rückerstatten
Der EuGH verwies auf den Wortlaut der einschlägigen Vorschrift, Art. 7 Abs. 4 der Richtlinie 2002/65. Dort stehe unmissverständlich, dass die Bank verpflichtet ist, dem Verbraucher nach Widerruf den Betrag zu erstatten, den sie »vom Verbraucher gemäß dem Fernabsatzvertrag erhalten hat«. Von einem weiteren Betrag, etwa einem Nutzungsersatz, sei dort nicht die Rede.
Weder die genannte Vorschrift noch eine andere EU-Richtlinie sehe vor, dass die Bank im Fall des Widerrufs durch den Darlehenskunden verpflichtet wäre, über die Erstattung der vom Kunden gezahlten Tilgungs- und Zinsbeträge hinaus zusätzlich Nutzungsersatz auf diese Beträge zu leisten. Grundsätzlich bezwecke die EURichtlinie eine volle Vereinheitlichung im EU-Bereich, sodass Mitgliedstaaten von diesen Regelungen nicht abweichen dürften, es sei denn die EU-Richtlinie sehe dies ausdrücklich vor.
Nach alledem gelangte das Gericht zu dem Ergebnis, dass der Darlehensnehmer nach dem Widerruf die Erstattung der von ihm zur Erfüllung des Darlehensvertrags gezahlten Tilgung- und Zinsbeträge verlangen könne, nicht aber Nutzungsersatz, also etwa Zinsen, auf diese Beträge.