RICHARD BOORBERG VERLAG

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29.03.2022
VGH Baden Württemberg, Urteil vom 29.03.2022, 2 S 3814/20

Tübingen darf keine kommunale Verpackungssteuer verlangen

          

Mit aktuellem Urteil hat der Verwaltungsgerichtshof die Verpackungssteuersatzung der Universitätsstadt Tübingen vom 30.01.2020 für unwirksam erklärt. Der Stadt fehle hierzu bereits die Regelungskompetenz.

Der Gemeinderat der Universitätsstadt Tübingen hat am 30.01.2022 eine Verpackungssteuersatzung ab dem Januar 2022 beschlossen, die den Verbrauch von Einwegverpackungen besteuert. Danach sind für jede Einweggetränkeverpackungen, jedes Einweggeschirrteil und jede sonstige Einweglebensmittelverpackung 50 Cent fällig sowie 20 Cent für jedes Einwegbesteck- Set. Der Steuersatz pro Einzelmahlzeit ist auf maximal 1,50 € begrenzt. Zur Entrichtung der Steuer sind zwar die Endverkäufer verpflichtet, die in Einwegverpackungen enthaltenen Speisen und Getränke für den unmittelbaren Verzehr an Ort und Stelle oder zum Mitnehmen auszugeben. Letztlich bezahlen soll sie aber der Verbraucher.

Mit dieser Satzung wollte die Stadt Tübingen dreierlei Ziele erreichen: Erstens sollte dadurch die zunehmende Vermüllung des Stadtbildes durch die im öffentlichen Raum entsorgten „to-go-Verpackungen“ verringert werden. Zweitens soll ein Anreiz gesetzt werden, dass die Verbraucher veranlasst werden, auf Einwegverpackungen zu verzichten und Waren in Mehrwegverpackungen nachzufragen. Und drittens sollten Einnahmen für den städtischen Haushalt durch das besteuerte, unerwünschte Verhalten der Endkäufer erzielt werden.

Franchise-Nehmerin des McDonalds-Schnellrestaurants gewinnt

Gegen diese Verpackungssteuersatzung hat die Franchise-Nehmerin eines McDonalds- Schnellrestaurants in Tübingen Normenkontrollklage beim Verwaltungsgerichtshof in Baden-Württemberg erhoben, mit dem Ziel, die Satzung für unwirksam erklären zu lassen. Sie ist der Ansicht, die erhobene Steuer verstoße gegen das Abfallrecht des Bundes und verletze ihr Recht auf Berufsfreiheit aus Art. 12 GG.

Im Ergebnis gab der VGH der Klägerin Recht.

Nach den Ausführungen der Richter scheitere die Einführung einer örtlichen Verpackungssteuer bereits an der fehlenden Gesetzgebungskompetenz der Stadt Tübingen.

Der Stadt Tübingen fehle bereits die Gesetzeskompetenz

Entgegen Art. 105 Abs. 2a GG regele die angegriffene Satzung nicht nur Vorgänge des Konsums, bei denen der Verbrauch von Verpackungen im Gemeindegebiet der Stadt Tübingen stattfände, sondern auch Verkäufe von Produkten zum Mitnehmen. Wegen der Transportmöglichkeit sei ein Verbleiben der Verpackungen im Gebiet der Stadt Tübingen nicht gewährleistet. Damit habe die Stadt ihre gemäß Artikel 105 Abs. 2a Grundgesetz auf örtliche Verbrauchs- und Aufwandssteuern bezogene Regelungskompetenz überschritten.

Außerdem stünde die örtliche Verpackungssteuer der Stadt Tübingen im Widerspruch zum aktuellen Abfallrecht des Bundes, der mit dem Verpackungsgesetz bereits detaillierte Regelungen zur Vermeidung und Verwertung von Verpackungsabfällen und damit auch von Einwegverpackungen getroffen habe. Aufgrund dieses vom Bundesgesetzgeber geregelten und geschlossenen Systems seien Zusatzregelungen auf kommunaler Ebene ausgeschlossen, so der Verwaltungsgerichtshof.

Selbst wenn die Regelungen des Verpackungsgesetzes bisher nicht ausreichend sein sollten, so obliege es dem Bundesgesetzgeber, für Abhilfe zu sorgen, und nicht kommunalen Satzungsgebern wie der Stadt Tübingen.

Die angegriffene Satzung verstoße zudem inhaltlich gegen den Grundsatz der Belastungsgleichheit gem. Art. 3 GG und sei deshalb rechtswidrig. Nach Auffassung der Richter sei der Begriff der Einzelmahlzeit, für die eine Obergrenze der Besteuerung von 1,50 € gelte, nicht ausreichend vollzugsfähig. Es sei allein auf die Angaben der Konsumenten abzustellen, ob es sich um Einzelbestellungen handele. Die Gefahr wahrheitswidriger Angaben der Kunden läge bei lebensnaher Betrachtung auf der Hand, um Steuern zu sparen. Daher sei diese Regelung ineffizient.

Autoren:
Tatjana Wellenreuther