RICHARD BOORBERG VERLAG

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02.06.2021
Oberlandesgericht Schleswig-Holstein, Beschluss vom 02.06.2021 , 11 U 31/21

Sturz auf Treppe zum Watt – Badegast bekommt keinen Schadensersatz

    

Ein Verkehrssicherungspflichtiger muss nicht allen denkbaren Gefahren vorbeugen, entschied das Oberlandesgericht Schleswig-Holstein (OLG).1 Es könne Schutz nur vor solchen Gefahren verlangt werden, die über das übliche Risiko bei der Anlagenbenutzung hinausgingen und vom Benutzer nicht vorhersehbar und nicht ohne weiteres erkennbar seien.

In der „Familienlagune Perlebucht“ in Büsum an der Nordsee stürzte ein Badegast auf einer Treppe, die zum Watt führte. Die breite Treppenanlage mit einem doppelten Handlauf in der Mitte und einem Mittelpodest führte von zwei künstlich angelegten Innenbecken je nach Wasserstand ins Watt oder in die Nordsee. Die Frau stürzte auf der ersten im Wasser befindlichen Stufe. Dabei zog sie sich einen Oberschenkeltrümmerbruch oberhalb des Gelenkkopfes zu. Sie musste am nächsten Tag operiert werden.

Gericht weist Klage ab

Die Frau sah die Schuld für den Sturz bei dem Betreiber. Die Stufen seien zu glatt und erheblich mit Moos bewachsen. Das Landgericht Itzehoe wies ihre Klage ab. Das OLG Schleswig- Holstein gab der Frau den Hinweis, dass ihre gegen die Entscheidung des LG eingelegte Berufung wenig erfolgversprechend sei. Daraufhin nahm sie die Berufung zurück.

Verkehrssicherungspflicht hat Grenzen

Ein Verkehrssicherungspflichtiger müsse nicht allen denkbaren Gefahren vorbeugen, so die Richter. Es könne Schutz nur vor solchen Gefahren verlangt werden, die über das übliche Risiko bei der Anlagenbenutzung hinausgingen und vom Benutzer nicht vorhersehbar und nicht ohne weiteres erkennbar seien.

Für Nutzer der Badestellen sei es offenkundig, dass mit typischen Gefahren des Meeresstrandes, also Sturzgefahr durch Schlick, Schafskot, Treibgut, Meerestiere, Wellen und Strömungen zu rechnen sei. Diesen Gefahren könnten die Nutzer eigenverantwortlich begegnen, indem sie die Treppen vorsichtig benutzten und sich am Handlauf festhielten. Betonstufen an Badestellen am Wattenmeer könnten üblicherweise durch Ablagerungen von Schwebstoffen schon innerhalb einer einzigen Tide rutschig werden. Daher seien diese Treppen im Regelfall während der Badesaison wie auch hier mit Handläufen versehen.

Keine zusätzlichen Sicherungen neben Handlauf und geeignetem Betonmaterial

Neben der Errichtung eines Handlaufs und der Verwendung geeigneten Betonmaterials, gegen das hier nichts einzuwenden gewesen sei, seien keine zusätzlichen Sicherungen gegen das Ausrutschen angezeigt gewesen. Vor allem gelten die Regelungen, die Bodenbeläge in Barfußbereichen in Bädern, Krankenhäusern oder Umkleide-, Wasch- und Duschräumen von Sport und Arbeitsstätten beträfen, nicht für außengelegene Treppenanlagen im Watt, die dem dauerhaften Einfluss der Gezeiten, starkem Wellenschlag, Eisgang, Frost und Schlickablagerungen ausgesetzt seien.

Autoren:
Anna-Kristina Bückmann
Quelle:
Oberlandesgericht Schleswig-Holstein, Beschluss vom 02.06.2021 – 11 U 31/21