RICHARD BOORBERG VERLAG

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14.02.2020
LG Koblenz, Urteil vom 14.02.2020, 13 S 33/19

Stromsperrung bei plötzlichem Anstieg des Stromverbrauchs?

  

Steigt der Stromverbrauch eines langjährigen Kunden plötzlich völlig unerklärbar an, so kann der Stromkunde gegen die Zahlungsforderung des Stromlieferanten den Einwand eines offensichtlichen Fehlers der Rechnung erheben; eine Stromsperrung scheidet aus.

Ein 80-jähriger und seine Ehefrau bezogen von einem Stromversorger seit Jahrzehnten im Rahmen der Grundversorgung Strom. Der jährliche Stromverbrauch des Ehepaars lag jeweils zwischen etwa 5 000 und 9 900 kWh. Die jeweiligen Rechnungen zahlten die Eheleute ohne Beanstandungen. Im Zeitraum vom 14. 02. 2016 bis 26. 07. 2016 rechnete der Stromversorger plötzlich einen Stromverbrauch von 56 164 kWh ab. Turnusmäßig wurde hier bei der Zähler vom Stromversorger ausgebaut und kurz darauf vernichtet. Der neu eingebaute Zähler wies im Zeitraum vom 26. 07. 2016 bis 02. 03. 2017 einen Verbrauch von 13 565 kWh aus. Der Stromversorger forderte einen Gesamtbetrag von 17 776 j, was das Ehepaar verweigerte. Daraufhin klagte das Stromunternehmen auf Duldung der Einstellung der Stromversorgung. Die Klage wurde jedoch vom Landgericht Koblenz abgewiesen.

Ernsthafte Möglichkeit eines offensichtlichen Fehlers der Rechnung

Grundsätzlich lagen hier die Voraussetzungen für die Unterbrechung der Stromversorgung (§ 19 StromGVV) vor, da eine Bezahlung der Rechnung aus dem Stromversorgungsvertrag trotz erfolgter Mahnung ausgeblieben war. Allerdings stand nach Auffassung des Gerichts dem Ehepaar der Einwand des § 17 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 StromGVV zu. Hiernach sind Stromkunden berechtigt, Einwände gegen Rechnungen zu erheben, soweit die »ernsthafte Möglichkeit eines offensichtlichen Fehlers« besteht. Das Gericht sah hinsichtlich des Stromverbrauchs im Zeitraum vom 14. 02. 2016 bis 26. 07. 2016 im Vergleich zu den Vorjahren einen solchen offensichtlichen Fehler. Eine andere Möglichkeit, etwa die Benutzung von starken Stromverbrauchern, die vorher nicht vorhanden waren und die für den von den älteren Eheleuten geführten Haushalt auch völlig atypisch wären, schloss das Gericht aus. Auch der Umstand, dass der Stromversorger den alten Zähler verschrottet hatte und dadurch die Möglichkeit einer Überprüfung  der Ablese-Vorrichtung unmöglich gemacht hatte, war zulasten des Stromunternehmen zu berücksichtigen. Somit schied eine Abrechnung des Stromverbrauchs wegen eines offensichtlichen Fehlers der Rechnung für den Zeitraum vom 14. 02. 2016 bis 26. 07. 2016 aus; der Strom konnte daher auch nicht gesperrt werden.

Autoren:
Klaus Krohn