RICHARD BOORBERG VERLAG

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21.11.2019
Oberlandesgericht Dresden , Urteil vom 21.11.2019, 8 U 1770/18

Prämiensparvertrag mit 99 Jahren Laufzeit kann nicht vorzeitig gekündigt werden

  

Eine Sparkasse darf Prämiensparverträge mit einer Laufzeit von 99 Jahren nicht vorzeitig kündigen. Benutzt die Sparkasse in ihrem Vertragsformular mehrfach den Begriff »Laufzeit«, so handelt es sich hierbei tatsächlich um Laufzeit und nicht etwa nur um eine Höchstfrist (OLG Dresden).

Eine Sparkasse hatte 1994 und 1996 drei unbefristete Prämiensparverträge abgeschlossen. Nach dem Tod der Kunden wurden 2015 alle drei Verträge auf Frau A als Erbin umgeschrieben. Neben einer variablen Verzinsung sahen die Verträge eine anfänglich wachsende, dem Sparer gutzuschreibende jährliche Prämie vor, die nach 15 Jahren die Hälfte des in dem jeweiligen Jahr vertragsgemäß gezahlten Sparbeitrags erreichte und fortan nicht mehr weiterwuchs.

In den umgeschriebenen Verträgen hieß es u.a.:

»Der Vertrag wird mit einer Laufzeit von 1188 Monaten abgeschlossen. Die in der Anlage aufgeführte Prämienstaffel ist für die gesamte Laufzeit des Vertrags fest vereinbart.«
Die Prämienstaffel listete die Prämie für einen Zeitraum von 99 Jahren auf, wobei jedes Jahr einzeln aufgeführt war. Die Angabe von 1188 Monaten war in den drei Vertragsurkunden durch die Sparkasse vorgegeben.
Im Jahr 2017 kündigte die Sparkasse alle drei Verträge. Dies hielt Frau A für unwirksam und beantragte gerichtlich festzustellen, dass die Verträge durch die Sparkasse nicht vor dem Jahr 2094 bzw. 2096 ordentlich gekündigt werden könnten.
Beim Oberlandesgericht Dresden hatte die Klage der Frau Erfolg.

99 Jahre Laufzeit

Das Gericht stellte klar, dass in den umgeschriebenen Verträgen eine Laufzeit – und nicht nur eine Höchstfrist – von 1188 Monaten (99 Jahren) vereinbart worden sei. Das folge aus dem Wortlaut der Verträge, die ausdrücklich von einer Laufzeit sprächen. Die Prämienstaffel, die die 99 Jahre ausweise, korrespondiere hiermit. Die Verträge sprachen damit an mehreren Stellen einheitlich von einer Laufzeit von 1188 Monaten. Die Sparkasse müsse sich an dieser, von ihr selbst vorformulierten Terminologie festhalten lassen.

Unter Berücksichtigung des Wortlauts (»… Der Vertrag wird mit einer Laufzeit von 1188 Monaten abgeschlossen … «) und der Tatsache, dass sich diese 99 Jahre auch in der Prämienstaffel wiederfänden, sei die Auffassung, eine solche Laufzeit sei mit der Klausel auch tatsächlich gemeint, naheliegend.

Damit scheide eine ordentliche Kündigung der Prämiensparverträge aus.

Ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung liege ebenfalls nicht vor.

Autoren:
Klaus Krohn