Eine Person, die Klage erhoben hatte, hatte auf der Website des beklagten Bekleidungsunternehmens eine Vielzahl von verschiedenen Kleidungsstücken bestellt. In den Personenstandsdaten der klagenden Person ist unter der Rubrik „Geschlecht“ „keine Angabe“ eingetragen worden.
Für die Registrierung und die Bestellung bei dem Bekleidungsunternehmen konnte die klagende Person nur zwischen „Herr“ und „Frau“ auswählen. Eine anderweitige Auswahlmöglichkeit gab es zum Bestellzeitpunkt nicht. Die geschlossenen Käufe wurden unter der Anrede „Herr“ bestätigt. In der Zwischenzeit hat das Bekleidungsunternehmen eine dritte Auswahlmöglichkeit „Divers/keine Anrede“ aufgenommen.
Die klagende Person machte gegen das Bekleidungsunternehmen eine Entschädigung in Höhe von mindestens 2.500 € geltend wegen Verletzung ihres Allgemeinen Persönlichkeitsrechts und verlangte einen Unterlassungsanspruch.
Verletzung des Schutzes der geschlechtlichen Identität
Das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe lehnte den Entschädigungsanspruch und Unterlassungsanspruch der klagenden Person ab. Gleichzeitig führte es aber aus, dass eine Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts der klagenden Person gegeben sei. Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht werde in seiner Ausprägung des Schutzes der geschlechtlichen Identität verletzt. Es sei jedoch trotz der Verletzung weder ein Unterlassungsanspruch noch ein Entschädigungsanspruch gegen das Unternehmen gegeben.
Ein Unterlassungsanspruch scheitert an der Voraussetzung der Wiederholungsgefahr. Angesichts der Tatsache, dass zwischenzeitlich von dem Bekleidungsunternehmen ein drittes Anredefeld mit „Divers/keine Angabe“ aufgenommen wurde, liege keine für den Unterlassungsanspruch benötigte Wiederholungsgefahr vor. Für die Zukunft habe das Unternehmen eine geschlechtsneutrale Anrede sichergestellt. Die Person werde bei der Anrede nur noch mit „Guten Tag“ angesprochen und es werde ihr somit nicht zugemutet, sich mit der Wahl einer Anrede einer Identität zuzuordnen, die der eigenen nicht entspreche.
Auch liege nach Auffassung der Richter kein Entschädigungsanspruch vor, den die beklagte Person gegen das Bekleidungsunternehmen erheben könne. Voraussetzung für einen Entschädigungsanspruch sei „eine schwerwiegende Verletzung des Benachteiligungsverbots, die eine gewisse Intensität der Herab- und Zurücksetzung erreicht“, sagten die OLG-Richter. Eine solche schwerwiegende Verletzung sei im vorliegenden Fall nicht gegeben. Die Benachteiligung sei nur im privaten Verkehr vorgenommen worden und auch der Grad des Verschuldens des Bekleidungsunternehmens sei sehr gering. Nach Ansicht der Richter sei es dem Unternehmen ersichtlich nicht darauf angekommen, einer kaufinteressierten Person die Angabe ihrer Identität abzuverlangen. Zweck der Anredeauswahl war lediglich eine übliche korrekte Anrede der bestellenden Person im Rahmen der weiteren Abwicklung des Massengeschäfts.