RICHARD BOORBERG VERLAG

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11. 06. 2020
Gerichtshof der Europäischen Union , Urteil vom 11. 06. 2020 , C-786/18

Keine Gratis-Abgabe verschreibungspflichtiger Arzneimittel an Apotheker

EuGH

Pharmazeutische Unternehmen dürfen keine Gratismuster verschreibungspflichtiger Arzneimittel an Apotheker abgeben. Allerdings ist es nach Unionsrecht zulässig, Gratismuster nicht verschreibungspflichtiger Medikamente Apothekern zu überlassen.

Ein Pharma-Unternehmen verteilte durch Außendienstmitarbeiter kleine Verkaufsverpackungen eines verschreibungspflichtigen Arzneimittels, die mit der Aufschrift »zu Demonstrationszwecken« versehen waren, kostenlos an Apotheker. Ein Konkurrenzunternehmen hielt dies für rechtswidrig. Denn es liege ein Verstoß gegen das Arzneimittelgesetz vor. Dort seien unter den Personen, an die Gratismuster verschreibungspflichtiger Arzneimittel abgegeben werden dürften, zwar Ärzte, nicht jedoch Apotheker genannt.

Die Unterlassungsklage des Konkurrenten hatte beim Landgericht und beim Oberlandesgericht Erfolg. Der schließlich mit dem Fall befasste Bundesgerichtshof war der Auffassung, dass entscheidungserhebliche Fragen das EU-Recht betrafen. Insbesondere sei zu klären, ob die einschlägige EU-Richtlinie dahin auszulegen sei, dass es pharmazeutischen Unternehmen erlaubt sei, auch an Apotheker Gratismuster von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln abzugeben. Daher setzte der Bundesgerichtshof das Verfahren aus und legte dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH)1 diese Rechtsfrage zur Vorabentscheidung vor.

Verschreibungsberechtigte Personen

Nach Auffassung des EuGH ist das EU-Recht dahin auszulegen, dass nur zur Verschreibung berechtigte Personen, also Ärzte, Gratismuster solcher Arzneimittel erhalten dürfen. An andere Personen, etwa Apotheker, dürfen von Pharma- Unternehmen daher keine Gratismuster verschreibungspflichtiger Medikamente abgegeben werden. Diese Arzneimittel dürfen in Anbetracht der mit ihrem Gebrauch verbundenen Gefahren oder der hinsichtlich ihrer Wirkungen bestehenden Unsicherheiten nicht ohne ärztliche Überwachung verwendet werden, weshalb sie verschreibungspflichtig sind.

Dagegen gehören Apotheker, da sie rechtlich nicht befugt sind, Arzneimittel zu verschreiben, nicht zur Gruppe der »verschreibungsberechtigten Personen« im Sinne der EU-Richtlinie, sondern zur Gruppe der »zur Abgabe von Arzneimitteln befugten Personen«.

Nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel

Der EuGH machte jedoch auch klar, dass den Apothekern durch EU-Recht nicht die Möglichkeit genommen werde, im Rahmen nationalen Rechts, Gratismuster von nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln zu erhalten. Auf diese Weise soll Apothekern ermöglicht werden, sich mit neuen Arzneimitteln vertraut zu machen und Erfahrungen mit deren Anwendung zu sammeln.

 

Autoren:
Klaus Krohn