Eine amerikanische »non-for-profit-Corporation «nach US-Recht betrieb eine auch in Deutschland abrufbare Webseite, deren Ziel die Veröffentlichung von in den USA gemeinfreien Werken war. Auf der Homepage waren über 50 000 Bücher als E-Books kostenlos abrufbar, so auch 18 Werke der Autoren Thomas Mann, Heinrich Mann und Alfred Döblin in deutscher Sprache. Die Bücher wurden von freiwillig für den Plattform-Betreiber tätigen Dritten (sog. Volunteers) eingestellt. Der Plattformbetreiber veranlasste vor der Veröffentlichung lediglich eine Prüfung ausschließlich nach US-amerikanischen Urheberrecht.
Ein Verlag, bei dem auch Werke der genannten Autoren erschienen, war der Auffassung, dass der Plattform-Betreiber die dem Verlag zustehenden Urheberrechte an insgesamt 18 Werken der Autoren verletze. Er verlangte vom Plattformbetreiber die künftige Unterlassung; seine Klage hatte beim Oberlandesgericht Frankfurt am Main Erfolg.
Keine gemeinfreien Werke
Nach bundesdeutschem Recht erlischt das Urheberrecht 70 Jahre nach dem Tode des Urhebers (§ 64 UrHG). Ist diese Frist erreicht, so gilt das entsprechende Werk des Urhebers als gemeinfrei; mit anderen Worten: Es besteht kein Urheberrecht mehr, sodass sowohl das Verwertungsrecht als auch das Urheberpersönlichkeitsrecht erloschen sind. Eine Verbreitung und Verwertung sind ohne Einverständnis des Urhebers möglich. Im vorliegenden Fall waren die 18 Werke der drei Autoren zwar nach US-amerikanischem Urheberrecht gemeinfrei, nicht jedoch nach deutschem Urheberrechtsgesetz.
Plattformbetreiber haftet als Täter
Der Betreiber einer Internetplattform ist nach Auffassung des Gerichts für dort zugänglich gemachte Inhalte nicht nur dann verantwortlich, wenn er diese selbst geschaffen hat. Es genüge, dass er sich die Inhalte »zu eigen« gemacht habe. Das war hier der Fall: So bezeichnete der Plattform- Betreiber die von den Volunteers auf der Plattform eingestellten Werke als »our books«. Zudem habe der Plattform-Betreiber willentlich an dem Angebot auch für deutsche Nutzer festgehalten, selbst nachdem der Verlag ihn auf den noch bestehenden Urheberrechtsschutz in Deutschland hingewiesen hatte. Dass der Plattform-Betreiber mit der öffentlichen Wiedergabe keine Gewinnerzielungsabsicht verfolgt hatte, war nach Auffassung des Gerichts bei der Frage der Urheberrechtsverletzung ohne Bedeutung.
Geschäftsführer haftet ebenfalls für Urheberrechtsverletzungen
Auch der gleichfalls in Anspruch genommene Geschäftsführer des Plattformbetreibers haftete für die Urheberrechtsverletzung persönlich. Ihn treffe zwar nicht die Verpflichtung, jegliches deliktische Verhalten – also im urheberrechtlichen Bereich jede Urheberrechtsverletzung – zu verhindern, die aus dem von ihm geleiteten Unternehmen heraus begangen werde. Beruhe aber die Rechtsverletzung auf einer Maßnahme der Gesellschaft, die typischerweise auf Geschäftsführerebene entschieden werde, sei davon auszugehen, dass sie vom Geschäftsführer veranlasst worden sei.
Im vorliegenden Fall hatte der Geschäftsführer das Konzept des Plattformbetreibers, literarische Werke vor ihrer Veröffentlichung lediglich nach US-amerikanischem Urheberrecht zu prüfen, obwohl sich die Seite auch an deutsche Nutzer richtete, selbst herausgearbeitet und praktiziert.