RICHARD BOORBERG VERLAG

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05.07.2019
Urteil des Oberlandesgerichts Köln , Urteil vom 05.07.2019 , 6 U 234/18

Hände weg von abwärts rollendem Auto

  

Wer sich in Sandalen einem bergab rollenden Pkw entgegenstellt und dabei gravierende Verletzungen erleidet, muss sich ein erhebliches Eigenverschulden an den Unfallfolgen vorhalten lassen. Zu einem kompletten Wegfall seiner Schadenersatzansprüche gegen die Kfz-Versicherung kommt es im Allgemeinen jedoch nicht (OLG Köln). 

Eine Autofahrerin stieg vor ihrem Haus aus ihrem Pkw BMW Mini aus, wo ihr Lebensgefährte wartete. Nachdem sich beide begrüßt hatten bemerkte der Mann, dass sich der Pkw in Bewegung gesetzt hatte und rückwärts die abschüssige Einfahrt hinunter zu rollen begann. Spontan lief der Mann hinter das Fahrzeug und versuchte, es dadurch aufzuhalten, dass er mit seinen Händen gegen das Heck des Fahrzeugs drückte. Er wurde von dem Fahrzeuggewicht jedoch niedergedrückt, kam rücklings zu Fall, wurde von dem Pkw überrollt und über eine Strecke von etwa 20 m mitgeschleift. Er erlitt hierdurch schwere Verletzungen und musste reanimiert werden.

Er verlangte von der Kfz-Haftpflichtversicherung seiner Lebensgefährtin Schmerzensgeld und Schadenersatz sowie die Feststellung, dass eine Haftung für sämtliche zukünftigen Schäden bestehe.

Das Landgericht Köln hat grundsätzlich eine Haftung der Versicherung in Höhe von 30 % festgestellt, die Klage jedoch überwiegend (70 %) abgewiesen. Sowohl der Verletzte als auch die Versicherungsgesellschaft legten gegen diese Entscheidung Berufung ein.

Das Oberlandesgericht Köln wies diese Berufungen jedoch zurück und bestätigte das Urteil der Vorinstanz.

Grundsätzliche Haftung der Versicherungsgesellschaft

Zunächst wies das Gericht darauf hin, dass die Versicherungsgesellschaft grundsätzlich haftet. Denn die Fahrzeughalterin habe die Verletzungen ihres Lebensgefährten zurechenbar dadurch verursacht, dass sie den Pkw abgestellt, aber nicht hinreichend gegen ein Wegrollen gesichert habe. Damit war der Schaden bei dem Betrieb des Fahrzeugs entstanden, unabhängig davon, ob etwa der Motor gelaufen war.

Überwiegendes Mitverschulden des Verletzten

Allerdings musste sich der Lebensgefährte ein ganz erhebliches Mitverschulden an dem Unfallereignis zurechnen lassen, das nach Auffassung des Oberlandesgerichts Köln mit 70 % zu bewerten sei.

Aufgrund der Masse des Pkw, der Tatsache, dass sich dieser selbstständig in Bewegung gesetzt hatte, und in Kenntnis des größer werdenden Gefälles hätte es sich für den Mann aufdrängen müssen, dass ein Aufhalten des Kraftfahrzeugs durch ein bloßes Dagegenstemmen von hinten ausgeschlossen sei, zumal der Mann lediglich Sandalen trug. Es handelt sich ganz offensichtlich um eine spontane Augenblicksentscheidung des Mannes, bei der eine rationale Überlegung vorab nicht erfolgt war.

Daher berücksichtigte das Gericht bei der Abwägung der verschiedenen Verursachungsanteile auch, dass sich der Lebensgefährte spontan und ohne weiteres Nachdenken zum Eingreifen entschieden hatte und eine objektiv falsche Reaktion auf das Geschehen aus verständlicher Bestürzung an den Tag gelegt hatte.

Daher war das Gericht abschließend der Auffassung, dass den Mann ein 70-prozentiges Mitverschulden an dem Unfall und seinen Folgen traf.

Autoren:
Klaus Krohn