Nach der EU-Fluggastrechteverordnung hat der Reisende bei Verspätungen von mehr als drei Stunden, bei kurzfristig gestrichenen oder überbuchten Flügen Anspruch auf eine Entschädigung, den sog. Ausgleichsanspruch. Dessen Höhe bemisst sich nach Entfernungskilometern und beträgt entweder 250 €, 400 € oder 600 € bei Langstreckenflügen.
Das Luftfahrtunternehmen ist allerdings dann von dieser Ausgleichspflicht befreit, wenn es nachweisen kann, dass die Ver- spätung des Flugs auf außergewöhnliche Umstände zurückzuführen war, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn sämtliche zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären.
Der Gerichtshof der Europäischen Union hatte in diesem Zusammenhang zu entscheiden, ob solche außergewöhnlichen Umstände bei Vorhandensein von Treibstoff auf einem Rollfeld vorliegen, wenn wegen dieser Verunreinigung die Flugbahnen vorübergehend geschlossen werden.
Der Fall
Ein belgischer Staatsbürger buchte bei einer Fluggesellschaft einen Flug von Italien nach Belgien. Kurz vor dem Start des Flugs wurde auf der Rollbahn ausgelaufener Treibstoff von einer anderen Maschine entdeckt. Die Reinigung der Startbahn erforderte die vorübergehende gesamte Schließung des Flugbetriebs seitens des Flughafenbetreibers. Der Flug verspätete sich um vier Stunden.
Der Fluggast verlangte daher von der Fluggesellschaft eine Entschädigung in Höhe von 250 € nach der Fluggastrechteverordnung. Dies lehnte die Airline jedoch ab. Sie verwies darauf, dass die Verspätung auf einen außergewöhnlichen Umstand zurückzuführen sei, den sie nicht zu verantworten habe.
Das mit dem anschließenden Rechtsstreit befasste belgische Gericht war der Auffassung, dass es um zentrale Fragen zur Auslegung der EU-Fluggastrechteverordnung gehe. Es setzte daher das Verfahren aus und legte dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) verschiedene Fragen zur Vorabentscheidung vor.
Der EuGH teilte die Auffassung der Fluggesellschaft und lehnte Entschädigungsansprüche des Fluggastes ab.
Außergewöhnliche Umstände
Ein Luftfahrtunternehmen ist von seiner Verpflichtung zu Ausgleichszahlungen an die Fluggäste befreit, wenn es nachweisen kann, dass die Annullierung des Fluges oder die erhebliche Flugverspätung auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht. Hierbei handelt es sich um Umstände, die auch dann nicht hätten vermieden werden können, wenn die Fluggesellschaft alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen hätte, insbesondere alle zur Verfügung stehenden personellen, materiellen und finanziellen Mitteln eingesetzt hätte. Nach Einschätzung des Gerichts war das Vorhandensein von Treibstoff auf der Flughafenrollbahn, das zur Schließung und zu erheblichen Verspätungen auf dem Flughafen geführt hatte, ein solcher außergewöhnlicher Umstand.
Keine Einflussmöglichkeiten der Fluggesellschaft
Ausgelaufener Treibstoff auf der Flughafenrollbahn, der nicht von dem betreffenden Flugzeug selbst stammt, kann nicht der normalen Ausübung der Tätigkeit des betroffenen Luftfahrtunternehmens zugerechnet werden. Dieser Vorfall ist von der Airline nicht tatsächlich zu beherrschen, da die Instandhaltung des Rollfelds nicht in dessen Zuständigkeit fällt. Im Übrigen ist die Entscheidung der Flughafenbehörde, ein Flughafenrollfeld zu schließen, für die Luftfahrtunternehmen verbindlich.
Nach alledem – so der EuGH abschließend – war das ausgelaufene Flugbenzin auf der Flughafenrollbahn, das zur Schließung und in der Folge zu erheblichen Abflugverspätungen geführt hatte, ein außergewöhnlicher Umstand, den das Flugunternehmen nicht zu verantworten hatte. Somit schied ein Entschädigungsanspruch des Fluggastes aus.