Ein Mediziner darf nicht mit einem Facharzt werben, der als solcher nicht anerkannt ist. Das entschied das Landgericht Koblenz (LG).1 Dabei nahm das Gericht auch Stellung zur Werbung von Fernbehandlungen.
Ein Arzt aus Rheinland-Pfalz bewarb in einer Mail seine Beratung über Telefon und Video zu Raumfahrt- und Regulationsmedizin. Er gab sich selbst neben anderen Bezeichnungen als Facharzt für »Akupunktur«, »Sexualmedizin« und »Raumfahrttechnik« an. Ein Verband forderte den Mediziner auf, das zu unterlassen. Das blieb jedoch ohne Erfolg.
LG: Info-Mail ist irreführend
Das LG hielt die Werbung für eine unlautere, weil irreführende geschäftliche Handlung im Sinne des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG). Zum einen verstoße der Mediziner gegen das grundsätzliche Verbot der Werbung für Fernbehandlungen (also den Kontakt über Telefon, Internet oder sonstige Fernkommunikationsmittel). Zum anderen habe er sich als Facharzt für Fachgebiete bezeichnet, die keine anerkannten Facharztbezeichnungen darstellten.
Persönlicher Kontakt entbehrlich?
Nach § 9 Heilmittelwerbegesetz dürfen Behandlungen per Ferndiagnostik nur beworben werden, wenn nach allgemein anerkannten fachlichen Standards ein persönlicher ärztlicher Kontakt mit der zu behandelnden Patientin bzw. dem zu behandelnden Patienten nicht erforderlich ist.
Fernbehandlung ärztlich vertretbar?
Eine ausschließliche Beratung oder Behandlung über Kommunikationsmedien ist nach § 7 Abs. 3 der Berufsordnung für die Ärztinnen und Ärzte in Rheinland- Pfalz im Einzelfall erlaubt, wenn dies ärztlich vertretbar ist und die erforderliche ärztliche Sorgfalt insbesondere durch die Art und Weise der Befunderhebung, der Beratung, der Behandlung sowie der Dokumentation gewahrt wird und die Patientin oder der Patient auch über die Besonderheiten der ausschließlichen Beratung und Behandlung über Kommunikationsmedien aufgeklärt wird. Der Arzt habe hier nicht dargelegt, dass ein persönlicher Kontakt entbehrlich sei.
Voraussetzungen für Facharztbezeichnung
Zudem habe der Arzt mit dem Titel für »Akupunktur«, »Hypnose«, »Sexualmedizin « und »Raumfahrtmedizin« mit einer Facharztbezeichnung geworben, die es gar nicht gibt. Diese setze voraus, dass der Mediziner eine Weiterbildung in einer zugelassenen Weiterbildungsstätte erfolgreich abgeschlossen habe und diese durch die jeweils zuständige Bezirksärztekammer anerkannt worden sei. Ansonsten dürfe eine Facharztbezeichnung nicht geführt werden.
»Akupunktur«, »Hypnose«, »Sexual-« und »Raumfahrtmedizin« nicht bekannt
Die Weiterbildungsordnung für Ärztinnen und Ärzte in Rheinland-Pfalz bezeichnet die Gebiete, für die es eine anerkennungsfähige Facharztbezeichnung gebe. Weder »Akupunktur« noch »Hypnose « noch »Sexualmedizin« und auch nicht die »Raumfahrtmedizin« zählten dazu. Eine Werbung dafür ist demnach unzulässig, urteilten die Landesrichterinnen und Landesrichter. Verbraucherinnen und Verbraucher könnten sich wohlmöglich aufgrund des Titels nur deshalb für eine Behandlung bei dem Arzt entscheiden, weil sie von ihm wegen besonderer Fachkunde in den genannten Gebieten die bestmögliche Behandlung erwarten würden. Hätten sie stattdessen gewusst, dass es diese Facharztbezeichnung nicht gebe, hätten sie vielleicht eine andere Ärztin oder einen anderen Arzt gewählt.
Anmerkung der Redaktion
In dem behandelten Fall hat das Gericht zwei Rechtsfragen angesprochen: die Führung eines Facharzttitels, den es gar nicht gibt sowie die Werbung für Fernbehandlungen. Letzteres hatte der Gesetzgeber im Jahr 2019 gelockert und damit auf eine Entscheidung der Bundesärztekammer ein Jahr zuvor reagiert. Die Mediziner hatten im März 2018 das sog. Fernbehandlungsverbot gekippt.
Seitdem ist damit prinzipiell eine Behandlung ausschließlich über Fernkommunikationsmittel erlaubt – d. h., Patient und Arzt müssen sich nie persönlich begegnet sein. Rezepte, Überweisungen und Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen können so ausgestellt werden, ohne dass Patientinnen und Patienten in der Praxis vorbeischauen müssen. Für eine Behandlung können sie sich mit ihrer Ärztin oder ihrem Arzt per Videoschalte oder übers Telefon zusammenfinden. Damit reagierten die Fachleute auch auf die voranschreitende Digitalisierung, die auch im Gesundheitsbereich nicht Halt macht. Anbieter aus dem Ausland, die mit Videosprechstunden werben, bedeuten eine Konkurrenz.
Bis auf Brandenburg haben inzwischen alle Landesärztekammern die Regelung in ihren Berufsordnungen umgesetzt. Aus Brandenburg hieß es zur Begründung, die ausschließliche Behandlung per Video oder Telefon gefährde Ärztin bzw. Arzt und Patientin bzw. Patient. Es bleibt abzuwarten, ob sich die dortige Kammer den anderen Ländern anschließen wird. Die Corona-Pandemie hat durch den immensen Anstieg von Videosprechstunden bei deutschen Ärztinnen und Ärzten sowie Therapeutinnen und Therapeuten gezeigt, dass es für Fernbehandlungen einen großen Bedarf gibt.