RICHARD BOORBERG VERLAG

×

09.09.2021
Verwaltungsgericht Berlin, Urteil vom 09.09.2021, VG 36 K 68/19

Eingetragene Lebenspartnerin hat Anspruch auf Sonderurlaub für Kindesbetreuung

   

Das Verwaltungsgericht Berlin hat die Rechte von eingetragenen Lebenspartnern gestärkt. Auf die Klage einer Beamtin, Sonderurlaub für die Betreuung des von ihrer Partnerin geborenen Sohnes zu erhalten, entschied das Gericht, dass die Ungleichbehandlung einer Beamtin, welche die rechtliche Elternstellung für ein in ihrem Haushalt lebendes Kind innehat, mit einer Beamtin, welche keine rechtliche Elternstellung innehat, sachlich nicht gerechtfertigt ist. Die Richter gaben der Klage der Frau statt.

Kammergericht Berlin verwehrt Beamtin Sonderurlaub für Kindesbetreuung

Eine Angestellte beim Kammergericht Berlin beantragte bei ihrem Dienstherrn Sonderurlaub unter Fortzahlung der Bezüge für die Betreuung des mit ihrer eingetragenen Lebenspartnerin im gemeinsamen Haushalt lebenden Sohnes. Die Eingetragene Lebenspartnerschaft bestand in Deutschland von 2001 bis 2017. Sie ermöglichte es gleichgeschlechtlichen Paaren, ein rechtliches Verhältnis zu begründen. Das Gesetz wurde 2017 von der als »Ehe für Alle« bekannten Öffnung des Instituts der Ehe auch für homosexuelle Paare abgelöst. Die Partnerin der Beamtin hatte das Kind mithilfe künstlicher Befruchtung und einer Samenspende zur Welt gebracht. Sie erkrankte so schwer, dass die Beamtin die Betreuung des Sohnes übernehmen musste. Die Arbeitgeberin lehnte den Antrag ab. Dagegen legte die Frau Widerspruch ein. Die Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung wies diesen zurück. Zur Begründung hieß es von der Behörde, die Beamtin habe keine rechtliche Elternstellung inne. Die Frau entgegnete, dass sie nicht in die Geburtsurkunde hätte eingetragen werden können.

Sonderurlaub: Was gilt als besonders wichtiger Grund?

Die Frau klagte vor dem VG Berlin. Das Gericht gab ihrer Klage statt. Nach der Sonderurlaubsverordnung müsse für die Gewährung von Sonderurlaub ein besonders wichtiger Grund vorliegen. Die Unterscheidung, dass es sich bei diesem wichtigen Grund nur um die eigenen bzw. angenommenen Kinder handelt und nicht um Stief- oder Pflegekinder, verstoße gegen den Allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) sowie den Schutz der Familie (Art. 6 Abs. 1 GG).

VG: Rechtliche Elternstellung ist kein sachliches Differenzierungskriterium

Die rechtliche Elternstellung gegenüber dem betreuungsbedürftigen Kind, so die Richter, sei kein sachliches Differenzierungskriterium. Die Ungleichbehandlung einer Beamtin, welche die rechtliche Elternstellung für ein in ihrem Haushalt lebendes Kind innehat, mit einer Beamtin, welche keine rechtliche Elternstellung innehat, sei sachlich nicht gerechtfertigt. Es Falle einer Eingetragenen Lebenspartnerschaft mit gemeinsamem Kind. sei Sinn und Zweck der Gewährung von Sonderurlaub, im Falle einer schweren Erkrankung der Betreuungsperson Beamten die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu erleichtern. Diesen Zweck erfülle die Gewährung von Sonderurlaub auch im Falle einer Eingetragenen Lebenspartnerschaft mit gemeinsamem Kind.

Rechtliche Verwandtschaft irrelevant

Das Grundgesetz schütze auch die sozialfamiliäre Gemeinschaft, die aus den eingetragenen Lebenspartnerinnen und dem leiblichen bzw. angenommenen Kind bestünde, als Form der tatsächlichen Lebens- und Erziehungsgemeinschaft von Eltern und Kindern als Familie und setze nicht den Bestand rechtlicher Verwandtschaft voraus.

Autoren:
Anna Kristina Bückmann