RICHARD BOORBERG VERLAG

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01.11.2018
Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Beschluss vom 01.11.2018 , 20 W 272/18

Bindung des Grundbuchamts an Inhalt des Erbscheins

  

Das Grundbuchamt ist im Verfahren der Grundbuchberichtigung an einen vom Nachlassgericht ausgestellten Erbschein im Allgemeinen gebunden; rechtliche Einwände gegen die Richtigkeit des Erbscheins sind nur in absoluten Ausnahmefällen denkbar (OLG Frankfurt am Main).

Ein Ehepaar war im Grundbuch jeweils zur Hälfte als Eigentümer eines Grundstücks eingetragen.
Als die Ehefrau starb, beantragte der Witwer beim Nachlassgericht einen Erbschein. Dieser wurde erteilt; er wies den Mann als Alleinerben aus.
Daraufhin legte der Witwer dem Grundbuchamt eine Ausfertigung dieses Erbscheins vor mit dem Antrag auf Grundbuchberichtigung durch Eintragung des Witwers als Alleineigentümer.
Der Rechtspfleger beim Grundbuchamt hatte jedoch inhaltliche Bedenken gegen den Wortlaut des Erbscheins. Dort waren Vor- und Nacherbschaft in einer nach Auffassung des Rechtspflegers nicht zulässigen Weise angeordnet. Diese Bedenken teilte der Rechtspfleger dem Nachlassgericht mit; dieses antwortete mit der Anmerkung, dass es an seiner Rechtsauffassung zum Inhalt des erteilten Erbscheins festhalte. Auch weitere rechtliche Hinweise des Rechtspflegers wirkten nicht. Schließlich wies er den Antrag auf Grundbuchberichtigung kostenpflichtig zurück mit der Begründung, dass der erteilte Erbschein eine rechtliche Unmöglichkeit aufweise und er daher wegen offensichtlicher Unrichtigkeit einzuziehen sei. Eine Grundbuchberichtigung sei daher nicht möglich.
Es kam zum Rechtsstreit, der schließlich beim Oberlandesgericht Frankfurt am Main landete.
Die Richter stellten fest, dass die Zurückweisung des Grundbuchberichtigungsantrags rechtswidrig war und der Rechtspfleger verpflichtet sei, unter Zugrundelegung des erhaltenen Erbscheins die Grundbucheintragung vorzunehmen.

Ausreichender Nachweis des Erbrechts durch vorgelegten Erbschein

Eine berichtigende Eintragung im Grundbuch ist vorzunehmen, wenn der Antragsteller die Grundbuchunrichtigkeit in grundbuchtauglicher Form nachweist. Der Nachweis der Erbfolge ist grundsätzlich durch einen Erbschein zu führen (vgl. § 35 Abs. 1 Satz 1 GBO). Dieser begründet zwar grundsätzlich lediglich eine Vermutung für das bestehende Erbrecht. Allerdings hat er im Grundbuchverfahren – wie hier – darüber hinaus volle Beweiskraft für das Bestehen des Erbrechts in dem bezeugten Umfang. Das Gesetz will sicherstellen, dass dem Grundbuchamt wegen der funktionellen Aufgabenverteilung zwischen Nachlassgericht einerseits und Grundbuchamt andererseits nur ganz eingeschränkte rechtliche Prüfungspflichten hinsichtlich der Richtigkeit des durch Erbschein bezeugten Erbrechts zustehen. Vielmehr dürfe und müsse das Grundbuchamt im Allgemeinen auf die Richtigkeit des Erbscheins vertrauen. Mit dem ordnungsgemäßen Rechtsverkehr wäre es nicht zu vereinbaren, wenn das Grundbuchamt bei Vollzug eines Eintragungsantrags in eine umfangreiche Nachprüfung der Richtigkeit des vorgelegten Erbscheins einzutreten hätte und eine vom Standpunkt des Nachlassgerichts abweichende rechtliche Auffassung treffen könnte. Im Verhältnis zum Grundbuchamt trägt deshalb alleine das Nachlassgericht die Verantwortung für die Richtigkeit eines noch im Rechtsverkehr befindlichen Erbscheins.
Im vorliegenden Fall war zwar die im Erbschein angeordnete Vorerbschaft und Nacherbschaft in der Fachliteratur umstritten, gleichwohl handelte es sich um eine vertretbare Rechtsauffassung des Nachlassgerichts, sodass die Wirksamkeit des Erbscheins nicht infrage stand.
Im Übrigen waren auch keine nachträglichen Änderungen, also nach Erteilung des Erbscheins eingetreten, die eine sachliche Unrichtigkeit des Erbscheins zur Folge gehabt haben könnten.
Nach alledem wurde daher der Rechtspfleger durch das Oberlandesgericht Frankfurt am Main verpflichtet, die beantragte Grundbuchänderung einzutragen

Autoren:
Klaus Krohn