RICHARD BOORBERG VERLAG

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07.04.2022
BGH, Urteil vom 07.04.2022, I ZR 2017/20

Bezeichnung einer Praxis als „Kinderzahnarztpraxis“ nicht irreführend

     

Der Bundesgerichtshof hat in einem aktuellen Urteil entschieden, dass eine Zahnarztpraxis mit ihrer ärztlichen Praxisbezeichnung „Kinderzahnarztpraxis“ keine irreführende Angabe beschreibe.

Die Klägerin ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts und übt in ihrem Bezirk die Berufsaufsicht über Zahnärzte und ihren Betrieb aus. Die Praxis der Beklagten wirbt auf ihrer Website mit dem Inhalt „Kinderzahnarztpraxis“.

Die Klägerin mahnte daraufhin die Zahnarztpraxis ab und beantragte vor Gericht, die Praxis unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu verurteilen, es zu unterlassen, geschäftlich handelnd zahnärztliche Leistungen unter der Bezeichnung „Kinderzahnarztpraxis“ zu bewerben und/oder bewerben zu lassen.

Vor dem erstinstanzlichen Landgericht hatte das Landgericht Düsseldorf der Klage stattgegeben. Das Berufungsgericht Oberlandesgericht Düsseldorf änderte das Urteil des Landgerichts Düsseldorf ab und wies die Klage ab.

Der BGH schloss sich der Ansicht des Berufungsgerichts an und verneinte den Unterlassungsanspruch.

Entscheidung des BGH

In seiner Urteilsbegründung führte der BGH aus, dass der Klägerin gegen die beklagte Praxis kein Unterlassungsanspruch nach § 8 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) zustünde. Die auf der Website der Praxis angeführte Angabe „Kinderzahnarztpraxis“ sei nach Ansicht des Gerichts im vorliegenden Fall keine irreführende geschäftliche Handlung.

Eine geschäftliche Handlung sei irreführend, wenn unwahre Angaben oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben über Umstände vorliegen. Eine Irreführung liege dann vor, wenn das Verständnis, das eine Angabe bei den Verkehrskreisen erwecke, an die sie sich richte, mit den tatsächlichen Verhältnissen nicht übereinstimme. Für die Beurteilung eines solchen Verkehrsverständnisses sei sowohl auf die Eltern abzustellen, die für ihre Kinder einen Zahnarzt suchen als auch auf ältere Kinder, die bereits selbstständige zahnärztliche Leistungen nachfragen und auswählen.

Keine Irreführungsgefahr

Die Richter des BGH kamen zu dem Ergebnis, dass die Angabe „Kinderzahnarztpraxis“ auf der Website nicht über die Person oder Befähigung der beklagten Zahnarztpraxis täusche.

Nach Sicht der Verkehrskreise werde die Angabe so verstanden, dass in der Praxis zahnärztliche Leistungen angeboten werden, wie sie in jeder Zahnarztpraxis zu finden seien, sagten die Richter des BGH. Zusätzlich erbringe die Beklagte eine besondere Bereitschaft mit sich, Kinder mit ihren besonderen, emotionalen Bedürfnissen zu behandeln. Bei der Werbung mit der Angabe „Kinderzahnarztpraxis“ sei zu erwarten, dass die Ausstattung der Praxis kindgerecht sei und die dort tätigen Zahnärzte für die Belange von Kindern aufgeschlossen seien.

Die Verkehrskreise hätten aber entgegen der Ansicht der Klägerin nicht die Vorstellung, dass die Praxis über besondere fachliche Kenntnisse der Zahnheilkunde verfüge, die ein normaler Zahnarzt nicht habe. Auch stelle die Bezeichnung Kinderzahnarzt auch deshalb keine Irreführung dar, weil der Bezug zu Kindern allein in der Praxisbezeichnung vorhanden sei und kein personaler Bezug zum Arzt hergestellt werde.

Das Elternteil als Verbraucher habe mit der Bezeichnung „Kinderzahnarztpraxis“ die Problematik vor Augen, dass Zahnarztbesuche mit Kindern schwierig sein könnten. Die Situation mit Kindern ähnele in einer gewissen Weise der Situation mit Angstpatienten. Den Eltern komme es vor allem auf eine kindgerechte Praxisausstattung und die Aufgeschlossenheit des Zahnarztes an.

Autoren:
Tatjana Wellenreuther