Eine Kundin hatte bei einem Möbelunternehmen auf einer Messe eine Einbauküche bestellt; gleichzeitig wurden jedoch verschiedene individuelle Änderungen vereinbart. Schon einige Tage später wollte die Kundin von ihrem 14-tägigen Widerrufsrecht Gebrauch machen. Denn sie war der Auffassung, dass der Kaufvertrag außerhalb von Geschäftsräumen geschlossen worden sei, was ein Widerrufsrecht nach sich ziehe. Zudem habe das Möbelunternehmen zum Zeitpunkt des Widerrufs noch nicht mit der Herstellung der Küche begonnen gehabt.
Das Möbelunternehmen verwies demgegenüber darauf, dass das Widerrufsrecht aufgrund der vereinbarten individuellen Veränderungen an der Einbauküche gesetzlich ausgeschlossen sei.
Da die Kundin gleichwohl eine Abnahme und einen Einbau der Küche ablehnte, machte das Möbelunternehmen Schadenersatzansprüche geltend. Das daraufhin mit dem Prozess befasste Amtsgericht Potsdam sah EU-Recht tangiert und legte dem Gerichtshof der Europäischen Union1 (EuGH) verschiedene Fragen zur Vorabentscheidung vor. Insbesondere wollte das Gericht vom EuGH wissen, ob der Wegfall des Widerrufsrechts wegen individueller Vereinbarungen auch dann gilt, wenn der Unternehmer noch keinerlei Arbeiten zur Herstellung des Produkts vorgenommen hat, also auch noch keine Aufwendungen getätigt hat.
Individuelle Abänderung lässt Widerrufsrecht entfallen
Der EuGH war der Auffassung, dass ein Widerrufsrecht dann nicht bestehe, wenn die gekaufte Ware auf individuellen Wunsch des Käufers teilweise gesondert angefertigt werde.
Die Richter verwiesen auf eine entsprechende EU-Richtlinie, die auch wortgleich in § 312 g BGB umgesetzt ist. Grundsätzlich gilt: Einem Verbraucher steht bei außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossenen Verträgen sowie bei Fernabsatzverträgen (insbesondere Kauf im Internet) ein gesetzliches Widerrufsrecht zu. Allerdings gibt es hiervon eine ganze Reihe von Ausnahmen, so auch nach § 312 g Abs. 2 Nr. 1 BGB. Hiernach besteht das Widerrufsrecht nicht bei Verträgen zur Lieferung von Waren, die nicht vorgefertigt sind und für deren Herstellung eine individuelle Auswahl durch den Verbraucher maßgeblich ist oder die eindeutig auf die persönlichen Bedürfnisse des Verbrauchers zugeschnitten sind.
So lag der Fall hier, denn die Kundin hatte verschiedene persönliche Änderungen an der Einbauküche in Auftrag gegeben, sodass zunächst von einem Wegfall des Widerrufsrechts auszugehen war.
Herstellungsbeginn unerheblich
Nach Auffassung des EuGH entfalle das Widerrufsrecht bei individuell in Auftrag gegebenen Gegenständen unabhängig davon, ob der Unternehmer bereits mit der Produktion des Gegenstandes begonnen hat. Die Richter verwiesen darauf, dass der Ausschluss des Widerrufsrechts dazu diene, die Rechtssicherheit zu erhöhen. Denn wollte man das Widerrufsrecht bzw. dessen Wegfall vom Fortschritt der Vertragserfüllung, also dem Produktionsbeginn, abhängig machen, so hinge die Frage »Widerrufsrecht oder nicht« von Zufälligkeiten ab.
Im Übrigen sei der Verbraucher üblicherweise nicht über den Stand der Fertigung unterrichtet. Sein Widerrufsrecht dürfe aber nicht davon abhängen, wie weit der Unternehmer schon mit der Bearbeitung des Auftrags gekommen sei. Somit stand der Bestellerin im vorliegenden Fall kein gesetzliches Widerrufsrecht zu. Das Amtsgericht Potsdam wird nun den Rechtsstreit unter Beachtung der Rechtsauffassung des EuGH zu entscheiden haben.