RICHARD BOORBERG VERLAG

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24.07.2019

Wegfall der Wasser-Kontaminierung nach Sanierung eines Abwasserkanals

  

Geht nach der Sanierung eines Abwasserkanals die Belastung eines benachbarten Brunnens mit Fäkalbakterien in nahem zeitlichen Zusammenhang rapide zurück, so spricht der Anscheinsbeweis dafür, dass Schadstellen in der Abwasserleitung für die Kontamination ursächlich waren (OLG Koblenz).

Ein Mann betrieb im baurechtlichen Außenbereich ein Hotel. Auf dem Grundstück befand sich ein Betriebsbrunnen, der auch das Hotel mit Trinkwasser versorgte.

Bei einer Routinekontrolle stellte die Behörde einen erheblichen Anstieg von Fäkalbakterien im Brunnenwasser fest. Die hohe Keimbelastung führte im weiteren Verlauf dazu, dass sowohl die Schließung des Brunnens als auch des hierüber mit Trinkwasser versorgten Hotels angeordnet wurde.

Bei der Überprüfung eines nur 5 m vom Brunnen entfernt verlaufenden Abwasserkanals, für den die Gemeinde unterhaltspflichtig war, wurde in dessen Innenwand ein Riss von 2 mm Breite festgestellt. Eine deshalb durchgeführte Druckprüfung bestand der Riss allerdings.

Nach einer gleichwohl vom gemeindlichen Abwasserverband durchgeführten Sanierung des Abwasserkanals ging die Keimbelastung des Brunnenwassers unmittelbar rapide zurück. Nach wenigen Monaten war eine Kontaminierung des Brunnenwassers nicht mehr feststellbar. Der Hotelbetreiber verlangte daher von dem Abwasserverband Schadenersatz mit der Begründung, dass dieser für die Kontaminierung des Brunnenwassers verantwortlich gewesen sei.

Der Abwasserverband vertrat jedoch die Auffassung, dass die Kontamination des Brunnenwassers nicht auf eine Leckage des Abwasserkanals, sondern auf andere Ursachen, etwa eine organische Düngung der Weinberge oberhalb des Hotels, zurückzuführen sei. Im Übrigen habe der Abwasserkanal an der Rissstelle die Druckprüfung erfolgreich bestanden. Beim Oberlandesgericht Koblenz hatte die Schadenersatzklage des Hotelbetreibers gleichwohl Erfolg.

Anscheinsbeweis

Verlangt ein Geschädigter vom mutmaßlichen Schädiger Schadenersatz, so hat er in aller Regel zu beweisen, dass der Schädiger für den entstandenen Schaden verantwortlich ist. Juristisch wird dies als Beweislast des Geschädigten bezeichnet. Hiervon gibt es zugunsten des Geschädigten jedoch Ausnahmen. Hierbei handelt es sich um solche Sachverhalte, in denen bei Vorliegen eines bestimmten Schadens auf die hierfür verantwortliche Ursache geschlossen werden kann. Dies wird als Anscheinsbeweis bezeichnet. Besonders anschauliches Beispiel sind hier etwa Auffahrunfälle im Straßenverkehr. Hier wird typischerweise ein Verschulden des Auffahrenden angenommen. Auch bei Unfällen an Kreuzungen und Einmündungen spricht der Anscheinsbeweis zunächst für eine Vorfahrtsverletzung des Wartepflichtigen.

Diesen Grundsatz der Beweiserleichterung durch den Anscheinsbeweis zog das Oberlandesgericht auch im vorliegenden Fall heran.

Reparatur hatte Trinkwasserqualität zur Folge

Nach Auffassung des Gerichts sprach zugunsten des Hotelbetreibers ein Anscheinsbeweis. Dadurch, dass unstreitig kurze Zeit nach der Sanierung des nahegelegenen Abwasserkanals der Bakterieneintrag in das Brunnenwasser massiv nachgelassen hatte, sei der Nachweis geführt, dass der Bakterienbefall über Schadstellen im Abwasserkanal erfolgt sei. Denn ein Anscheinsbeweis sei nach ständiger Rechtsprechung im umgekehrten Fall gegeben, also wenn in engem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit Bauarbeiten Risse und Veränderungen an nahegelegenen Gebäuden auftreten. Dann spreche der Anscheinsbeweis für die Bauarbeiten als Schadensverursacher. Das gelte auch hier, wenn nach Sanierung eines Kanals Belastungen des Nachbargrundstücks verschwinden.

Den gegen den Abwasserverband sprechenden Anscheinsbeweis konnte dieser im vorliegenden Fall nicht erschüttern. Denn andere Ursachen für den Bakterieneintrag in das Brunnenwasser seien realitätsnah nicht gegeben gewesen. Insbesondere hätten keine konkreten Anhaltspunkte dafür vorgelegen, dass tatsächlich größere Mengen organischen Düngers im fraglichen Zeitraum in den Weinbergen oberhalb des Brunnens ausgebracht worden seien.

Damit war der Abwasserverband dem Hotelbetreiber schadenersatzpflichtig.

Quelle:
Urteil des Oberlandesgerichts Koblenz vom 17. 08. 2017 – 1 U 729/15 (nachträgliche Veröffentlichung des Urteils erst im Jahr 2019, nachdem der Bundesgerichtshof im weiteren Verlauf die Rechtsansicht des Oberlandesgerichts Koblenz bestätigt hat)