RICHARD BOORBERG VERLAG

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30.01.2023

Voraussetzung für Netzsperren bei Urheberrechtsverletzung

    

In einem aktuellen Fall beschäftigte sich der BGH mit der Frage, wann für den Rechtsinhaber keine andere Möglichkeit besteht, der Verletzung seines Rechts abzuhelfen. Dies ist dann der Fall, wenn zumutbare Anstrengungen zur Inanspruchnahme der Beteiligten, die die Rechtsverletzung selbst begangen oder zu ihr durch die Erbringung von Dienstleistungen beigetragen haben, gescheitert sind oder ihnen jede Erfolgsaussicht fehlt.

Der Access-Provider, der lediglich allgemein den Zugang zum Internet vermittelt, haftet nur subsidiär gegenüber denjenigen Beteiligten, die (wie der Betreiber der Internetseite) die Rechtsverletzung selbst begangen oder (wie der Host-Provider) zur Rechtsverletzung durch die Erbringung von Dienstleistungen beigetragen haben und daher wesentlich näher an der Rechtsgutsverletzung sind.

Welche Anstrengungen zur Inanspruchnahme des Betreibers der Internetseite und des Host-Providers zumutbar sind, ist eine Frage des Einzelfalls. Der Rechtsinhaber ist in zumutbarem Umfang dazu verpflichtet, Nachforschungen zur Ermittlung der vorrangig in Anspruch zu nehmenden Beteiligten anzustellen. Die außergerichtliche Inanspruchnahme eines bekannten Betreibers der Internetseite oder Host-Providers auf Entfernung der urheberrechtsverletzenden Inhalte ist dem Rechtsinhaber im Regelfall ebenfalls zumutbar.

Mit Blick auf eine gerichtliche Durchsetzung von Unterlassungs- und Auskunftsansprüchen ist allerdings in besonderem Maß zu berücksichtigen, dass dem Rechtsinhaber keine Maßnahmen auferlegt werden dürfen, die zu einer unzumutbaren zeitlichen Verzögerung seiner Anspruchsdurchsetzung führen. Ein Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gegen innerhalb der Europäischen Union ansässige Betreiber oder Host-Provider hat der Rechtsinhaber jedoch grundsätzlich anzustrengen. Grundsätzlich zumutbare Anstrengungen können im Einzelfall unterbleiben, wenn ihnen aus vom Anspruchsteller darzulegenden Gründen jede Erfolgsaussicht fehlt.

Die Revision gegen das Urteil des 29. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 27. Mai 2021 wird auf Kosten der Klägerinnen zurückgewiesen.

Tatbestand

Bei den Klägerinnen handelt es sich um Wissenschaftsverlage aus den Vereinigten Staaten von Amerika, Großbritannien und Deutschland. Die Beklagte ist ein in Deutschland ansässiges Telekommunikationsunternehmen, das unter anderem Internetzugangsdienstleistungen für Endkunden erbringt.

Die Klägerinnen behaupten, bei den Internetdiensten mit den Bezeichnungen „L.“ und „S.“ würden von ihnen benannte wissenschaftliche Artikel und Bücher, an denen sie die ausschließlichen Nutzungsrechte innehätten, seit August 2019 unbefugt bereitgehalten. Von der Beklagten verlangen sie die Einrichtung sogenannter DNS-Sperren für von diesen Internetdiensten genutzte Domains. Zur Begründung bringen sie vor, sie hätten eine Vielzahl von Maßnahmen zur Identifizierung und Inanspruchnahme der Betreiber der Internetdienste ergriffen, die aber im Wesentlichen erfolglos geblieben seien. Ein Vorgehen gegen die Host-Provider habe ebenfalls keine Erfolgsaussichten. Teilweise nutzten die Internetdienste den in Schweden ansässigen Host-Provider B.; dieser habe die an ihn gerichteten Notifizierungs- und Abmahnschreiben nicht beantwortet.

Das Landgericht hat die Beklagte gemäß dem Hauptantrag der Klägerinnen verurteilt, mittels einer DNS-Sperre etwaige Domains zur Nutzung durch ihre Kunden zu sperren.

Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgen die Klägerinnen ihre in der Berufungsinstanz gestellten Anträge weiter.

Autoren:
RdW-Redaktion
Quelle:
BGH, Urteil vom 13.10.2022 – I ZR 111/21.