RICHARD BOORBERG VERLAG

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22.07.2021

Verlassen der Unfallstelle lässt Kaskoschutz entfallen

    

Verlässt der Fahrer eines an einem Unfall beteiligten Fahrzeugs den Unfallort, ohne die Polizei oder seine Kaskoversicherung über den Unfall zu informieren, kann hierdurch die in den Allgemeinen Bedingungen für die Kaskoversicherung festgelegte Wartepflicht verletzt sein. Dies kann zur Folge haben, dass die Kaskoversicherung den Schaden nicht regulieren muss (OLG Koblenz).

Ein Autofahrer war auf einer Autobahn ohne Fremdeinwirkung mit der Mittelleitplanke kollidiert; er fuhr zunächst bis zu einem Rastplatz weiter. Nachdem er dort den entstandenen Fahrzeugschaden (Streifspuren über die gesamte linke Fahrzeugseite) in Augenschein genommen hatte, setzte er die Fahrt fort.

Die Schadensanzeige an seine Kaskoversicherung stellte er erst vier Tage später fertig. Die Reparaturkosten beliefen sich auf 22 200 €. Die Kaskoversicherung weigerte sich zu zahlen, da sie leistungsfrei geworden sei; der Versicherte habe vorsätzlich die ihn aus den Allgemeinen Kaskobedingungen treffende Wartepflicht verletzt und hierdurch dem Versicherer wesentliche Feststellungen zum Versicherungsfall unmöglich gemacht.

Dies wollte der Autofahrer nicht hinnehmen und zog vor Gericht. Er wies darauf hin, dass ihm die Einhaltung der Wartepflicht auf einer viel befahrenen Autobahn nicht möglich gewesen sei. Das Oberlandesgericht Koblenz wies die Zahlungsklage des Autofahrers gegen seine Kaskoversicherung ab.

Aufklärungspflicht in der Kaskoversicherung

Im Kleingedruckten der Kaskoversicherung hieß es, dass der Versicherte verpflichtet ist, alles zu tun, was der Aufklärung des Schadensereignisses dienen kann. Dies bedeutet insbesondere, dass Fragen der Versicherungsgesellschaft zu den Umständen des Schadensereignisses wahrheitsgemäß und vollständig beantwortet werden müssen und der Unfallort nicht verlassen werden darf, ohne die erforderlichen Feststellungen zu ermöglichen.

Ein Versicherter verletze die hier festgelegte Wartepflicht jedenfalls dann, wenn er durch das Verlassen der Unfallstelle den Straftatbestand der Unfallflucht (§ 142 StGB) verwirkliche.

So verhalte es sich hier. Denn aufgrund des Schadensbildes am Fahrzeug sei davon auszugehen, dass bei der Kollision nicht nur ein erheblicher Schaden am eigenen Fahrzeug, sondern auch ein nicht völlig belangloser Fremdschaden (Beschädigung der Leitplanke) entstanden sei. Der Autofahrer hätte daher an der Unfallstelle warten müssen. Hierbei könne dahinstehen, ob es ihm zumutbar gewesen wäre, in unmittelbarer Nähe zur Unfallstelle, etwa auf dem Standstreifen der Autobahn, anzuhalten, um den Unfall zu melden.

Vorzuwerfen sei ihm jedenfalls, dass er auch an der nächsten regulären Anhaltemöglichkeit – Rastplatz – weder die Polizei, noch seine Kaskoversicherung über den Unfall informiert habe.

Durch diese Pflichtverletzung habe er seiner Kaskoversicherung wesentliche Feststellungen zum Versicherungsfall erschwert, etwa dazu, ob er das versicherte Fahrzeug tatsächlich zum Unfallzeitpunkt lenkte, ob seine Fahrtüchtigkeit beeinträchtigt war oder ob andere Gründe für einen Wegfall oder eine Einschränkung des Versicherungsschutzes vorlagen.

Der Verstoß gegen die Wartepflicht führe – so das Gericht abschließend – daher letztlich dazu, dass die Versicherungsgesellschaft eine Schadensregulierung ablehnen dürfe.

Autoren:
Klaus Krohn
Quelle:
Beschluss des Oberlandesgerichts Koblenz vom 11. 12. 2020 – 12 U 235/20