RICHARD BOORBERG VERLAG

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08.06.2020

Verkäufer haftet nicht für Kundenbewertung auf Online-Plattform

  

Der Anbieter eines auf einer Online-Handelsplattform (hier: Amazon) angebotenen Produkts haftet nicht für Bewertungen des Produkts durch Kunden.

Ein Händler vertrieb Kinesiologie-Tapes. Er bewarb diese Produkte damit, dass sie zur Schmerzbehandlung geeignet seien. Dies war jedoch medizinisch nicht abgesichert und nachweisbar. Deshalb wurde der Händler von einem Verbraucherschutzverband abgemahnt, woraufhin er dem Verband gegenüber eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgab.

Der Händler bot seine Produkte zudem auf der Online-Handelsplattform Amazon an. Dort wurde für jedes Produkt über die EAN (European Artikel Number) eine diesem Produkt zugewiesene ASIN (Amazon-Standard-Identifikationsnummer) generiert, die sicherstellen sollte, dass beim Aufruf eines bestimmten Produkts die Angebote sämtlicher Anbieter dieses Produkts angezeigt werden. Käufer konnten bei Amazon die Produkte bewerten. Amazon wies eine solche Bewertung ohne nähere Prüfung dem unter der entsprechenden ASIN geführten Produkt zu. Dies hatte zur Folge, dass zu einem Produkt alle Kundenbewertungen angezeigt wurden, die zu diesem – möglicherweise von mehreren Verkäufern angebotenen – Produkt abgegeben worden waren.

Der Händler bot bei Amazon seine Kinesiologie- Tapes an. Unter diesem Angebot waren Kundenrezensionen abrufbar, die u. a. die Hinweise »schmerzlinderndes Tape«, »schnell lässt der Schmerz nach«, »Linderung der Schmerzen ist spürbar« sowie »die Schmerzen gehen durch das Bekleben weg« enthielten.

Der Verbraucherschutzverband forderte von dem Händler die Zahlung einer Vertragsstrafe, hatte damit jedoch beim Bundesgerichtshof keinen Erfolg.

Keine wettbewerbsrechtliche Haftung des Händlers

Nach Einschätzung des Gerichts ergab sich kein Unterlassungsanspruch der Verbraucherschützer aus dem gesetzlichen Verbot, für Medizinprodukte mit irreführenden Äußerungen zu werben. Die Kundenbewertungen waren hier zwar irreführende Aussagen, weil die behauptete Schmerzlinderung durch die Kinesiologie-Tapes medizinisch nicht gesichert nachweisbar war.

Der Anbieter des Produkts hatte mit den Kundenbewertungen aber nicht geworben. Er hatte weder selbst aktiv mit den Bewertungen geworben noch hatte er sie übernommen. Die Kundenbewertungen waren vielmehr als solche gekennzeichnet, fanden sich bei Amazon getrennt vom Angebot des Händlers und wurden von den Nutzern nicht der Sphäre des Händlers als Verkäufer zugerechnet.

Keine Pflicht zur Löschung der Kundenbewertungen

Zudem war der Händler nicht verpflichtet, Irreführung durch die Kundenbewertungen zu verhindern. Von ausschlaggebender Bedeutung – so das Gericht weiter – sei hierbei, dass Kundenbewertungssysteme auf Online-Marktplätzen gesellschaftlich erwünscht seien und verfassungsrechtlichen Schutz genießen. Das Interesse von Verbrauchern, sich zu Produkten zu äußern und sich vor dem Kauf über Eigenschaften, Vorzüge und Nachteile eines Produkts aus verschiedenen Quellen, also auch aus Bewertungen anderer Kunden, zu informieren, werde durch das Grundrecht der Meinungs- und Informationsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) geschützt.

Eine Abwägung mit dem Rechtsgut der öffentlichen Gesundheit bedürfe es im vorliegenden Fall nicht, weil Anhaltspunkte für eine Gesundheitsgefährdung bei den von ihm angebotenen Kinesiologie- Tapes fehlten.

Autoren:
Klaus Krohn
Quelle:
Urteil des Bundesgerichtshofs vom 20. 02. 2020 – I ZR 193/18