RICHARD BOORBERG VERLAG

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15.10.2020

Unfalltod eines nicht angeschnallten Mitfahrers

  

Schläft ein Autofahrer während der Fahrt ein und verursachte hierdurch einen Unfall, bei dem der nicht angeschnallte Beifahrer stirbt, so hat ein unterhaltsberechtigter Angehöriger Schadenersatzansprüche. Stellt sich heraus, dass der getötete Mitfahrer den Unfall nahezu unverletzt überlebt hätte, wenn er den Gurt angelegt hätte, so ist auf den Schadenersatzanspruch ein Mitverschulden i. H. v. 1/3 anrechenbar (OLG Koblenz).

Ein Autofahrer fuhr mit einem Beifahrer nachts auf einer belebten Bundesautobahn. Nach einiger Zeit schlief er während der Fahrt ein und verursachte hierdurch einen Verkehrsunfall. Der nicht angeschnallte Mitfahrer, Vater eines minderjährigen Sohns, verstarb noch an der Unfallstelle. Ein Sachverständiger stellte später fest, dass der Beifahrer bei angelegtem Sicherheitsgurt aller Wahrscheinlichkeit nach nahezu unverletzt geblieben wäre.

Der unterhaltsberechtigte Sohn machte gegenüber der Kfz-Haftpflichtversicherung Unterhaltsansprüche geltend. Dies lehnte die Versicherungsgesellschaft mit dem Hinweis ab, dass der Tod des Vaters bei ordnungsgemäß angelegtem Sicherheitsgurt ausgeblieben wäre. Dies führe dazu, dass das Fehlverhalten des Autofahrers (Einschlafen am Steuer) für den Tod des Beifahrers überhaupt nicht zum Tragen gekommen sei.

Bei dem Oberlandesgericht Koblenz hatte die Schadensersatzklage des hinterbliebenen Sohns größtenteils Erfolg; allerdings musste er sich auf seinen Schadenersatzanspruch ein Mitverschulden seines Vaters in Höhe von 1/3 anrechnen lassen.

Unfallverursachung entfällt nicht wegen Mitverschuldens des Beifahrers

Das Gericht erteilte der Argumentation der Versicherungsgesellschaft eine klare Absage. Dadurch, dass der Beifahrer sich nicht angeschnallt habe und voraussichtlich bei Anlegen des Gurtes unverletzt geblieben wäre, entfalle nicht das Fehlverhalten des Autofahrers, nämlich dessen Einschlafen am Steuer. Anspruchsvoraussetzung für den Unterhaltsanspruch sei es, dass der Tod der zum Unterhalt verpflichteten Person als zurechenbare Folge des Fehlverhaltens des in Anspruch genommenen Fahrers darstellen muss. Dieses Fehlverhalten und dessen Ursächlichkeit für den Tod des Beifahrers werde nicht durch ein Mitverschulden des Getöteten beseitigt. Denn ohne den verursachten Unfall wäre der Vater des unterhaltsberechtigten Kindes nicht verstorben; ohne den Fahrfehler des Wagenlenkers wäre die Fahrt unbeschadet beendet worden und die Verletzung der Anschnallpflicht gar nicht zum Tragen gekommen. Somit sei eindeutig von einem Fehlverhalten des Autofahrers, das den Tod des Beifahrers verursacht habe, auszugehen.

Mitverschuldensanteil des getöteten Beifahrers

Fraglos war dem Beifahrer ein Mitverschulden an dem Unfallereignis vorzuwerfen, da er bei Anlegen des Gurtes den Unfall überlebt hätte. Dieses Mitverschulden seines Vaters muss sich der Sohn anrechnen lassen.

Im vorliegenden Fall ging das Oberlandesgericht davon aus, dass der Unfall durch ein grobes und massives Verschulden des Fahrers verursacht worden war, denn er sei während der Fahrt auf einer viel befahrenen Autobahn eingeschlafen.

Andererseits hatte der Beifahrer gegen die Anschnallpflicht verstoßen und somit seinen Tod quasi teilweise mitverursacht. Daher erschien dem Gericht eine Mithaftungsquote zulasten des getöteten Vaters in Höhe von 1/3 des Schadens für angemessen.

Dies bedeutet im Ergebnis, dass der unterhaltsberechtigte Sohn ein Drittel des ihm entstandenen Unterhaltsschadens nicht erstattet erhalten kann.

Anmerkung:

Nach wie vor – trotz jahrzehntelang bestehender Anschnallpflicht – kommen durchaus nicht selten bei Verkehrsunfällen und damit einhergehenden Schadenersatzprozessen Gurtverstöße vor.

Hier hat die Rechtsprechung seit Jahren klargestellt, dass der Schadenersatzanspruch des nicht angegurteten Beifahrers gemindert ist, wenn sich nachweisen lässt, dass die erlittenen Verletzungen tatsächlich verhindert worden oder zumindest erheblich geringer ausgefallen wären, wenn er angeschnallt gewesen wäre.

Autoren:
Klaus Krohn
Quelle:
Hinweisbeschluss des Oberlandesgerichts Koblenz vom 07. 01. 2020 – 12 U 518/19