RICHARD BOORBERG VERLAG

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08.09.2021

Streit über Taufe begründet noch kein alleiniges Sorgerecht eines Elternteils

      

Streit über Taufe begründet noch kein alleiniges Sorgerecht eines Elternteils

Ein Konflikt zwischen den Eltern ist für sich allein genommen noch kein Grund, das gemeinsame Sorgerecht der Eltern aufzuheben und es einem Elternteil zu übertragen.

Eine Frau beantragte das alleinige Sorgerecht für ihren Sohn. Sie übte das Recht gemeinsam mit ihrem Ex-Mann aus. Das Paar lebte bereits seit einigen Jahren getrennt. Es gebe zahlreiche Konflikte zwischen ihr und dem Vater des Kindes. Beispielsweise wolle der Vater nach Angaben der Mutter nicht, dass der gemeinsame Sohn mit ihr in den Kindergottesdienst gehe, zumindest, wenn der neue Lebenspartner der Mutter dabei sei. Der Vater bestritt das. Auch ließ die Mutter den Jungen noch nicht taufen, weil sich der Mann weigere, der Taufe zuzustimmen. Das Amtsgericht Pforzheim wies den Antrag der Mutter auf das alleinige Sorgerecht zurück. Dagegen legte die Frau Beschwerde vor dem Oberlandesgericht Karlsruhe (OLG) ein.

Konflikt allein noch kein Grund für alleiniges Sorgerecht

Doch auch hier hatte die Mutter keinen Erfolg. Die Richter wiesen ihren Antrag auf das alleinige Sorgerecht zurück. Ein Konflikt zwischen den Eltern oder die Tatsache, dass ein Elternteil die gemeinsame elterliche Sorge ablehne, sprächen für sich genommen noch nicht gegen diese Form. Es gehöre zur Normalität im Eltern- Kind-Verhältnis, dass sich in Einzelfragen die für das Kind beste Lösung erst aus Kontroversen herausbilde, so die Richter. Grundvoraussetzung sei die Kooperationsbereitschaft und -fähigkeit der Eltern, die ein Mindestmaß an Übereinstimmung zwischen den beiden erfordere und sich am Kindeswohl auszurichten habe. Einem Elternteil könne nicht durch die alleinige elterliche Sorge ein Instrument zur einseitigen Lösung eines Umgangskonflikts gegeben werden, der ebenfalls parallel bestehe. Die Rechte des Kindes und des nicht betreuenden Elternteils auf Umgang miteinander seien unverzichtbar.

Taufe ist Angelegenheit von erheblicher Bedeutung

Mit Blick auf den Streit über die Taufe konkretisierten die Richter: Wegen eines Streits über eine Taufe müsse noch nicht das Sorgerecht einem Elternteil übertragen werden. Die Taufe sei eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung. Daher könne die Mutter nach dem Gesetz (§ 1628 BGB) in diesem Fall auch beim Familiengericht beantragen, dass die Entscheidung zur Tauffrage ihr übertragen werde. Da die Mutter ihr Anliegen bislang nicht vorgetragen habe, sei die Entscheidung für sie nicht dringlich, schlussfolgern die Richter. Ihr könne außerdem abverlangt werden, zunächst zu versuchen, sich mit dem Vater zu einigen. Trotz des Konflikts könne nicht festgestellt werden, dass die Übertragung des Sorgerechts auf einen Elternteil dem Kindeswohl am besten entspreche. In vielen anderen Fällen hätten sich Mutter und Vater einigen können, beispielsweise bei der Entscheidung darüber, dass der Sohn bei der Mutter lebe. Entscheidend sei es auch, betonten die Richter, dass der Vater ein erhebliches Interesse an dem Kind habe.

Anmerkung:

Stellt ein Elternteil einen Antrag auf das alleinige Sorgerecht, führt das Gericht eine sog. doppelte Kindeswohlprüfung durch. Dabei prüfen die Richter zunächst, ob die Aufhebung der gemeinsamen Sorge dem Kindeswohl am besten entspricht und anschließend, ob es auch am besten für das Kind ist, wenn das Sorgerecht einem Elternteil allein übertragen wird.

Autoren:
Anna Kristina Bückmann
Quelle:
Beschluss des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 28. 03. 2019 – 20 UF 27/19