Der Kläger war bis 2008 Vorsitzender des Aufsichtsrats der Wirecard AG. Die beklagte deutsche Großbank hatte dem Kläger im Juni 2020 telefonisch geraten, Aktien der Wirecard AG aus dem Depot seiner Ehefrau zu verkaufen, da sie die Aktien neu bewertet habe. Der Kläger platzierte daraufhin – mit Vollmacht seiner Ehefrau – eine Verkaufsorder für eine im unteren sechsstelligen Bereich liegende Anzahl von Aktien der Wirecard AG. Zwei Tage später veröffentlichte die Wirecard AG eine Ad-hoc-Meldung über die Stellung eines Insolvenzantrags. In der Folgezeit brach der Aktienkurs nochmals signifikant ein. Einen Monat später erstattete die Beklagte eine Geldwäscheverdachtsanzeige gegen den Kläger und seine Ehefrau. Ein gegen das Ehepaar eingeleitetes staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren wurde eingestellt, nachdem die BaFin keine überwiegenden Anhaltspunkte für die Verwertung von Insiderinformationen bei der gemeldeten Transaktion festgestellt hatte.
Der Kläger nimmt die Beklagte nunmehr auf Schadensersatz wegen einer unrichtigen Verdachtsmeldung in Anspruch. Das Landgericht hatte die Klage abgewiesen. Die hiergegen eingelegte Berufung hatte auch vor dem OLG keinen Erfolg. Zur Begründung führte der zuständige 3. Zivilsenat aus, es könne dahinstehen, ob die Beklagte durch die Erstattung der Geldwäscheverdachtsmeldung und insbesondere durch das Verschweigen der von ihr zuvor ausgesprochenen Verkaufsempfehlung ihre vertraglichen Pflichten verletzt habe. Jedenfalls komme ihr der gesetzliche Haftungsausschluss des § 48 Abs. 1 GwG zugute. Gem. § 48 Abs. 1 GwG darf der Meldepflichtige weder zivil- noch strafrechtlich haftbar gemacht oder disziplinarisch belangt werden, es sei denn, die Meldung oder Strafanzeige ist vorsätzlich oder grob fahrlässig unwahr erstattet worden.
Im vorliegenden Fall sei die Beklagte zu der Meldung berechtigt gewesen. Insbesondere habe die Meldung an Tatsachen angeknüpft, die eine Meldepflicht auslösen. Der meldepflichtige Verdacht habe sich auf die Straftat des Insiderhandels und damit auf eine taugliche Vortat der Geldwäsche bezogen. Ein niedriger Verdachtsgrad sei ausreichend. „Die Meldepflicht nach § 43 GwG und die Haftungsfreistellung nach § 48 Abs. 1 GwG sind grundsätzlich weit auszulegen, da die Beurteilung, wann Umstände so ungewöhnlich oder auffällig sind, nicht klar zu bestimmen sind“, führte das OLG aus. Der geringe Verdachtsgrad sei hier objektiv erreicht gewesen. Der Verkauf einer großen Anzahl von Aktien habe in engem zeitlichem Zusammenhang mit dem öffentlichen Bekanntwerden der dortigen Unregelmäßigkeiten und letztlich der Stellung des Insolvenzantrags gestanden, was dem Kläger nicht zuzurechnen sei. Vor dem Hintergrund der Verbindungen des Klägers zu dem Unternehmen habe allerdings eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für die Verwertung von Insiderkenntnissen gesprochen.
Die Meldung sei auch nicht unwahr gewesen, da die ihr zugrunde liegenden Tatsachen der Wirklichkeit entsprochen hätten. Dass die Beklagte ihre eigene Empfehlung zum Verkauf nicht in der Meldung erwähnt habe, mache diese nicht unwahr oder entstelle sie in einer maßgeblichen Weise. Im Übrigen hätte diese Mitteilung die weiteren Tatsachen, die den Verdacht begründeten, nicht ausgeräumt.
Maßgebliche Vorschriften
§ 48 GwG Freistellung von der Verantwortlichkeit
(1) Wer Sachverhalte nach § 43 meldet oder eine Strafanzeige nach § 158 der Strafprozessordnung erstattet, darf deshalb nicht nach zivilrechtlichen oder strafrechtlichen Vorschriften verantwortlich gemacht oder disziplinarrechtlich verfolgt werden, es sei denn, die Meldung oder Strafanzeige ist vorsätzlich oder grob fahrlässig unwahr erstattet worden.
(2) ...
§ 43 GwG Meldepflicht von Verpflichteten, Verordnungsermächtigung
(1) Liegen Tatsachen vor, die darauf hindeuten, dass
1. ein Vermögensgegenstand, der mit einer Geschäftsbeziehung, einem Maklergeschäft oder einer Transaktion im Zusammenhang steht, aus einer strafbaren Handlung stammt, die eine Vortat der Geldwäsche darstellen könnte,
2. ein Geschäftsvorfall, eine Transaktion oder ein Vermögensgegenstand im Zusammenhang mit Terrorismusfinanzierung steht oder
3. der Vertragspartner seine Pflicht nach § 11 Absatz 6 Satz 3, gegenüber dem Verpflichteten offenzulegen, ob er die Geschäftsbeziehung oder die Transaktion für einen wirtschaftlich Berechtigten begründen, fortsetzen oder durchführen will, nicht erfüllt hat,
so hat der Verpflichtete diesen Sachverhalt unabhängig vom Wert des betroffenen Vermögensgegenstandes oder der Transaktionshöhe unverzüglich der Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen zu melden. Gibt der Verpflichtete zusätzlich zu der Meldung eines nach Satz 1 meldepflichtigen Sachverhalts auch eine Strafanzeige oder einen Strafantrag ab, so teilt er dies der Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen mit Abgabe der Meldung mit. (2) ...