Eine Autofahrerin parkte ihren Pkw am 10.09.2015 am Fahrbahnrand einer innerörtlichen Straße. Neben der Straße befanden sich ein Gehweg und verschiedene alte Straßenbäume. Einige Zeit später brach von einer Linde ein großer, schwerer und weitverzweigter Ast von mehreren Metern Länge und einem Durchmesser von 50 cm ab und stürzte auf die Motorhaube des geparkten Fahrzeugs. An diesem Tag herrschte nur wenig Wind. Die Fahrzeughalterin verlangte Schadenersatz von der zuständigen Gemeinde. Sie verwies darauf, dass diese den Baumbestand nicht mehrmals im Jahr kontrolliert habe. Sonst hätte sie erkennen können, dass die Linde erhebliche Beschädigungen aufgewiesen habe. So seien an dem Ast handtellergroße Beschädigungen, vermutlich von einem Specht, nachgewiesen. Zudem hafteten dem Stamm großflächige Baumpilzwucherungen an. Unmittelbar unter der Bruchstelle waren Baumpilze vorhanden und der Stamm stark mit Rankpflanzen überwuchert. Daher habe es nicht ausgereicht, dass die Gemeinde lediglich eine Sichtprüfung durchgeführt habe.
Die Gemeinde verwies ihrerseits darauf, dass sowohl im März 2015 als auch am 30.07.2015 eine Sichtprüfung vorgenommen worden sei. Hierbei sei kein Pilzbefall festgestellt worden. Totholz sei bereits im April 2015 von einer Fachfirma beseitigt worden.
Das brandenburgische Oberlandesgericht hielt es nach eingehender Beweisaufnahme für erwiesen, dass die Gemeinde für die eingetretenen Schäden verantwortlich war, da sie ihre Kontrollpflicht nicht in erforderlichem Umfang erfüllt hatte.
Umfang der Verkehrssicherungspflicht
Die Gemeinde war verpflichtet, den Baumbestand, auch an dieser Stelle, in gewissen zeitlichen Abständen zu kontrollieren. Hierbei spricht man von einer sog. Verkehrssicherungspflicht. Die Gemeinde muss in diesem Zusammenhang die zur Abwehr der von Bäumen ausgehenden Gefahren erforderlichen Maßnahmen treffen, die einerseits zum Schutz vor Astbruch und Windwurf erforderlich, andererseits unter Berücksichtigung des umfangreichen Baumbestandes der Gemeinde zumutbar sind. Hierzu genügt in der Regel eine in angemessenen Abständen vorgenommene äußere Sichtprüfung, bezogen auf die Gesundheit des Baumes. Straßenbäume sind hierbei grundsätzlich ein bis zwei Mal im Jahr, einmal in unbelaubtem und einmal in belaubtem Zustand, einer Sichtkontrolle vom Boden aus zu unterziehen.
Eingehendere Untersuchungen an Bäumen sind nur dann vorzunehmen, wenn Umstände vorliegen, die der Erfahrung nach auf eine besondere Gefährdung durch den Straßenbaum hinweisen. Derartige Anzeichen sind etwa eine spärliche oder trockene Belaubung, dürre Äste, äußere Verletzungen, Wachstumsauffälligkeiten oder Pilzbefall, hohes Alter, Eigenart der Stellung des Baumes und sein statischer Aufbau. Insbesondere ist auch das Alter des Baumes und die Verkehrsbedeutung des angrenzenden Bereichs in Betracht zu ziehen.
Im vorliegenden Fall war der Baum unstreitig bereits nur wenige Monate vor dem Vorfall von Totholz befreit worden. Nach dem Ergebnis des Sachverständigengutachtens im Prozess lagen weitere Symptome vor, die eine eingehende Prüfung über die bloße Sichtprüfung hinaus erforderlich gemacht hatten. So war erkennbar umfangreicher Pilzfruchtkörper mindestens seit einem Jahr, wahrscheinlich aber sogar seit drei Jahren, am Stamm vorhanden. Dieser Pilzbefall war fraglos bei einer ordnungsgemäß durchgeführten Baumschau vom Boden aus erkennbar. Schon dieser Umstand hätte es erfordert, den Baum einer genaueren Untersuchung mittels Aufstiegshilfe zu unterziehen. Hierbei hätte etwa durch Abklopfen ein hohler Klang festgestellt werden können, der auf ein baldiges Abbrechen des Astes hindeuten könnte.
Da an dem betreffenden Tag nahezu kein Wind herrschte, war letztlich davon auszugehen, dass allein die pflichtwidrig unterlassene Kontrolle über die bloße Sichtprüfung hinaus den Aststurz ermöglicht hatte. Zudem lag zwischen der Sichtkontrolle von unten (30.07.2015) und dem Schadensereignis (10.09.2015) lediglich ein kurzer Zeitraum.
Somit war die Gemeinde für den Schaden an dem geparkten Fahrzeug haftbar.