RICHARD BOORBERG VERLAG

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23.06.2022

Palästina-Komitee e.V. erhält Zugang zur Website „stuttgart.de“

        

Mit aktuellem Urteil hat das Verwaltungsgericht Stuttgart entschieden, dass das Stuttgarter Palästinakomitee e.V. Veranstaltungen auf der Website der Stadt Stuttgart ankündigen darf. Ein entsprechendes Verbot sei wegen Verstoßes gegen das Recht auf Meinungsfreiheit verfassungswidrig.

Im Jahre 2005 gab es einen Aufruf der palästinensischen Zivilgesellschaft, die zu Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen (kurz: BDS) gegen Israel aufgerufen hatte, bis Israel internationalem Recht und dem universellen Recht der Menschenrechte nachkomme. Eine darauf begründete BDS-Bewegung setzt sich seitdem für einen Israel-Boykott ein, um Israel zum Rückzug aus den Gebieten der Palästinenser zu zwingen. Der Verein „Stuttgarter Palästinakomitee“ schloss sich dieser BDS-Kampagne an und setzte sich für die Rechte der Palästinenser ein. Viele Jahre war der Verein als örtliche Initiative auf der städtischen Website „www. stuttgart.de“ gelistet und durfte seine Veranstaltungen dort ankündigen, bis ihm die Stadt Stuttgart 2019 den Zugang entzog, mit der Begründung, die BDS-Kampagne sei antiisraelisch und antisemitisch. Dabei bezog sich die Stadt auf ihre eigene Antidiskriminierungserklärung aus dem Jahre 2019 und einen Beschluss des Deutschen Bundestages vom 17.05.2019, der einem gemeinsamen Antrag von CDU/CSU, SPD und FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN mit dem Titel „Der BDS-Bewegung entschlossen entgegentreten – Antisemitismus bekämpfen“ zustimmte.

Gegen dieses Verbot der Stadt Stuttgart nahm der Verein gerichtliche Hilfe in Anspruch und begehrte mit seiner Klage die Aufnahme seiner Kontaktdaten auf die Website der Stadt Stuttgart.

Palästinakomitee e.V. hat Anspruch auf Zugang zur städtischen Internetseite

Das Verwaltungsgericht gab dem Komitee Recht. Das Stuttgarter Palästinakomitee e.V. hat gemäß § 10 Abs. 2, Abs. 4 der Gemeindeordnung Baden-Württemberg einen Anspruch auf Zugang zur städtischen Internetseite als öffentliche Einrichtung.

Das Verbot der Stadt Stuttgart, die Termine des Palästinakomitees anzukündigen, sei ein grundrechtswidriger Verstoß der Beklagten gegen das Recht des Komitees auf freie Meinungsäußerung aus Artikel 5 Grundgesetz.

Nach Auffassung der Richter sei durch die Unterstützung des Komitees für die BDSKampagne die Grenze, die einen Eingriff in das Grundrecht der Meinungsfreiheit rechtfertige, ersichtlich noch nicht erreicht. Es bestünden keine greifbaren Anhaltspunkte dafür, dass die im Bundesgebiet entfalteten Aktivitäten der auf den Staat Israel zielenden Boykottbewegungen auch eine die Friedlichkeitsgrenze überschreitende gezielte Stimmungsmache gegen die jüdische Bevölkerung in Deutschland oder gar ein Aufstacheln zum Hass gegen diese Personengruppe umfassen könnten. Nach Einschätzung des Gerichts hätten die Meinungsäußerungen die rein geistige Sphäre des Für-Richtig-Haltens noch nicht verlassen und seien noch nicht in Rechtsgutsverletzungen oder Gefährdungslagen umgeschlagen. Irrelevant sei, ob die BDS-Kampagne antiisraelisch oder antisemitisch sei, weil auch entsprechende Auffassungen von der Meinungsfreiheit gedeckt seien. Die Kammer stellte außerdem fest, dass es ein Gesetz, das der Beklagten erlauben würde, die Aufnahme der Kontaktdaten des Komitees auf ihrer Website abzulehnen, weil dieses die BDS-Kampagne unterstütze, nicht gebe. Ein solches Gesetz wäre jedenfalls voraussichtlich wegen Verstoßes gegen die Meinungsfreiheit verfassungswidrig.

Autoren:
Tatjana Wellenreuther
Quelle:
VG Stuttgart, Urteil vom 22.04.2022 – 7 K 3169/21; BT-Dr.19/10191