RICHARD BOORBERG VERLAG

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10.02.2020

Muss der Grundpreis unmittelbar beim Gesamtpreis platziert sein?

  

Entgegen dem Wortlaut der Preisangabenverordnung ist es unter Berücksichtigung einer EU-Richtlinie nicht erforderlich, dass der Grundpreis einer Ware in unmittelbarer Nähe zum Gesamtpreis anzugeben ist.

Hintergrund

Nach § 2 Abs. 1 S. 1 PAngV besteht eine Verpflichtung zur Angabe des sog. Grundpreises:

»Wer Letztverbrauchern gewerbs- oder geschäftsmäßig … Waren in Fertigpackungen, offenen Packungen oder als Verkaufseinheiten ohne Umhüllung nach Gewicht, Volumen, Länge oder Fläche anbietet, hat neben dem Gesamtpreis auch den Preis je Mengeneinheit einschließlich Umsatzsteuer und sonstiger Preisbestandteile (Grundpreis) in unmittelbarer Nähe des Gesamtpreises … anzugeben«.

Der Bundesgerichtshof hat im Jahr 2009 entschieden, dass die Formulierung »in unmittelbarer Nähe« erfordere, dass beide Preise auf einen Blick wahrgenommen werden könnten.

Der genannten Vorschrift der Preisangabenverordnung liegt jedoch eine EU-Richtlinie zugrunde. Diese Preisangaben- Richtlinie der EU sieht lediglich vor, dass der Verkaufspreis und der Preis je Maßeinheit, also Gesamtpreis und Grundpreis, »unmissverständlich, klar erkennbar und gut lesbar« sein müssen. Das Erfordernis »in unmittelbarer Nähe« ist in dieser EU-Vorschrift nicht erwähnt.

Somit besteht in der Bundesrepublik nach der Preisangabenverordnung eine strengere Regelung, als dies die zugrunde liegende EU-Richtlinie an sich vorsieht. Da seit Juni 2013 die EU-Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken strengere Regeln der einzelnen Mitgliedstaaten untersagt, stellt sich die Frage, ob das Erfordernis »in unmittelbarer Nähe« unter Berücksichtigung der EU-Regelungen noch notwendig ist.

Rechtsstreit vor dem Landgericht Hamburg

Ein Verbraucherschutzverband hatte den Anbieter eines Vitaminpräparats unter mehreren Gesichtspunkten abgemahnt. Beim Landgericht Hamburg war letztlich noch die Frage zu klären, ob der Vertreiber des Präparates den Grundpreis in unmittelbarer Nähe zum Gesamtpreis zu benennen hatte.

Das Landgericht kam zu dem Ergebnis, dass die EU-Richtlinie der Preisangabenverordnung vorgehe und aufgrund ihres eindeutigen Wortlauts daher die Angabe des Grundpreises nicht in unmittelbarer Nähe des Gesamtpreises erfolgen müsse.

Preisvergleich zwischen Grundpreisen verschiedener Produkte

Das Gericht betonte, dass bei europarechtskonformer Auslegung der Preisangabenverordnung abweichend von deren Wortlaut eine Angabe des Grundpreises in unmittelbarer Nähe des Gesamtpreises nicht erforderlich sei.

Die Verpflichtung, den Verkaufspreis und den Preis je Maßeinheit anzugeben, habe den Sinn, die Verbraucherinformation zu verbessern; denn durch die beiden Angaben biete sich dem Verbraucher auf einfache Weise die Möglichkeit, die Preise von Erzeugnissen zu beurteilen und miteinander zu vergleichen. Dieser Gesichtspunkt spräche sogar dafür, dass bereits die bloße Grundpreisangabe optimale Möglichkeiten zum Preisvergleich biete, ohne dass es zusätzlicher Anforderungen, etwa räumlicher Nähe zum Gesamtpreis, bedürfe. Denn Gegenstand des Preisvergleichs seien nicht Grundpreis und Gesamtpreis desselben Artikels, sondern die Grundpreise verschiedener Artikel.

Grund für die Einführung der Angabepflicht von Grundpreisen sei es gerade, dem Verbraucher eine leichte Vergleichbarkeit verschiedener Artikel, unabhängig vom Gesamtpreis, zu ermöglichen.

Wenn die Grundpreisangabe hiernach gemäß der EU-Richtlinie unmissverständlich, klar erkennbar und gut lesbar sei, biete sie dem Verbraucher optimale Möglichkeiten des Preisvergleichs. Daher sei die bundesdeutsche Preisangabenverordnung in § 2 Abs. 1 dahin auszulegen, dass es ausreiche, wenn der Grundpreis unmissverständlich, klar erkennbar und gut lesbar angegeben sei, auch wenn dies nicht in unmittelbarer Nähe des Gesamtpreises erfolge.

Anmerkung:

Das Landgericht Hamburg weicht mit dieser Entscheidung vom ausdrücklichen Wortlaut des § 2 Abs. 1 S. 1 Preisangabenverordnung ab; ebenso von der genannten Entscheidung des Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 2009.

Allerdings hat sich die Rechtslage durch EU-Vorschriften seit 2013 geändert. Das Landgericht Hamburg schließt daraus, dass unter Berücksichtigung der EU-Vorschriften eine unmittelbare Nähe der Angabe der beiden Preise nicht mehr gefordert werden kann.

Auch das Landgericht Düsseldorf hat im Jahr 2014 im Sinne des Landgerichts Hamburg entschieden.

Eine höchstrichterliche Entscheidung zu dieser Frage steht jedoch noch aus. Wer also bis dahin ganz sicher gehen möchte, sollte wie bisher den Grundpreis in unmittelbarer Nähe zum Gesamtpreis angeben.

Autoren:
Klaus Krohn
Quelle:
Urteil des Landgerichts Hamburg vom 20.08.2019 – 406 HKO 106/19