RICHARD BOORBERG VERLAG

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29.09.2021

Lieferdienst muss Kurier Fahrrad und Smartphone stellen

  

Ein Lieferdienst muss seinen Angestellten ein Fahrrad und ein Smartphone stellen. Es benachteilige diesen unangemessen, wenn er für die Touren sein eigenes Rad und sein eigenes Handy nutzen muss.

Ein Fahrradkurier des Essenslieferanten »Lieferando« wollte für die Auslieferungsfahrten nicht mehr länger sein eigenes Rad und Smartphone nutzen. In seinem Arbeitsvertrag war geregelt, dass er während der Einsätze »Equipment« des Lieferdienstes nutzt, wofür er ein Pfand in Höhe von 100 € hinterlegen musste. Dazu zählten aber weder Fahrrad noch Smartphone. Ein internetfähiges Handy brauchen Kuriere, da die Ess- und Trinkbestellungen über eine App eingehen. Die Fahrerinnen und Fahrer durften je gearbeiteter Stunde ein Guthaben von 0,25 € für Fahrradreparaturen bei einem Vertragspartner ihres Arbeitgebers anfordern. Der Kurier klagte gegen die Nutzung der eigenen Gegenstände vor dem Arbeitsgericht Frankfurt am Main. Dort bekam er zunächst kein Recht.

Eigenes Rad und Smartphone benachteiligt Lieferanten unangemessen

Das Hessische Landesarbeitsgericht entschied auf die Berufung des Boten hin jedoch anders.1 Die Arbeitsverträge müssten wie Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) überprüft werden. Die Regelung, dass Fahrrad und Smartphone selbst mitgebracht werden, ohne dass die Kuriere dafür einen finanziellen Ausgleich erhalten, benachteilige diese unangemessen. Betriebsmittel und deren Kosten seien vom Arbeitgeber zu stellen. Dieser trage auch das Risiko, wenn sie nicht einsatzfähig sind.

Anmerkung der Redaktion:

Essenslieferdienste hatten vor allem während des Lockdowns, als Restaurants geschlossen waren, Hochkonjunktur. In größeren Städten flitzten die Boten mit den orangefarbenen oder blauen Jacken und quadratischen Packtaschen auf dem Rücken durch die Straßen. Doch mehr und mehr mediale Aufmerksamkeit erfahren in den letzten Jahren vor allem die Rechte der Lieferdienstfahrerinnen und -fahrern. Im Kampf um bessere Arbeitsbedingungen treibt es die Boten auf die Straße. Im Februar demonstrierten Fahrerinnen und Fahrer der Lieferdienste »Lieferando« und dem finnischen »Wolt« in Berlin für faire Arbeitsbedingungen. »Too cold to ride« (zu Deutsch: »zu kalt, um zu fahren«) und »Stop order food« (»Hör auf, Essen zu bestellen«) stand auf ihren Plakaten. Und im Juni kamen »Lieferando «-Boten in Frankfurt am Main zusammen, um auf die Befristung ihrer Arbeitsverträge aufmerksam zu machen. Somit beschäftigen die Rechte der Fahrerinnen und Fahrer auch die Gerichte. Neben der obigen Entscheidung urteilte das LAG beispielsweise noch in dem Fall eines weiteren »Lieferando«-Kurierfahrers.2 Dieser beklagte sich »nur« darüber, dass er sein eigenes Smartphone für die Fahrten nutzen musste. Aber auch in seinem Fall entschied das LAG zu seinen Gunsten.

Autoren:
Anna Kristina Bückmann
Quelle:
1 Hessisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 12. 03. 2021 – 14 Sa 306/20, 14 Sa 1158/20; 2 Hessisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 12. 03. 2021 – 14 Sa 1158/20