RICHARD BOORBERG VERLAG

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04.06.2021

Kein Schädigungsvorsatz bei Einbau eines »Thermofensters«

                         

Der Bundesgerichtshof hatte sich erstmals zur Thematik des sogenannten »Thermofensters« zu äußern, insbesondere, ob diese Einrichtung mit einer Abschaltautomatik zu vergleichen ist.

Ein Mann erwarb am 19. 01. 2012 von einem Automobilhersteller ein Neufahrzeug vom Typ Mercedes-Benz C 220 CDI zum Preis von 32 000 €. Der Wagen war mit einem Dieselmotor des Typs OM 651 ausgestattet. Das Fahrzeug wies die Abgasnorm »Euro 5« auf und war mit einem sog. Thermofenster ausgestattet. Hierbei handelt es sich um eine Steuerungssoftware, die die Abgasrückführung regelt. Dabei wird ein Teil der Abgase wieder der Verbrennung im Motor zugeführt, was zu einer Verringerung der Stickoxidimmissionen führt. Die Abgasrückführung wird temperaturabhängig reguliert und bei kühleren Außentemperaturen reduziert (Thermofenster).

Der Käufer war der Auffassung, die Motorsteuerung reduziere bei einstelligen positiven Außentemperaturen die Abgasrückführung und schalte sie schließlich ganz ab. Dies führe zu einem erheblichen Anstieg der Stickoxidimmissionen. Er sah in der Steuerung der Abgasrückführung eine unzulässige Abschalteinrichtung. Er verlangte daher vom Hersteller des Fahrzeugs die Rückzahlung des Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung für die gefahrenen Kilometer bei gleichzeitiger Rückgabe des Kraftfahrzeugs. Ebenso wie bei der Vorinstanz hatte die Klage des Käufers beim Bundesgerichtshof keinen Erfolg.

Keine Abschalteinrichtung

Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs stand dem Käufer kein Anspruch auf Schadenersatz wegen einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung durch den Fahrzeughersteller zu.

Der Einsatz eines Thermofensters sei jedenfalls nicht mit der Fallkonstellation zu vergleichen, die der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum VW Motor EA 189, als sog. Diesel-Skandal, zugrunde liegt. Dort hatte der Automobilhersteller die grundlegende strategische Frage, mit welchen Maßnahmen er auf die Einführung der Stickoxidgrenzwerte der Euro 5-Norm reagieren würde, im eigenen Gewinnsinteresse dahingehend entschieden, von der Einhaltung dieser Grenzwerte im realen Fahrbetrieb vollständig abzusehen; stattdessen täuschte der Hersteller das Kraftfahrtbundesamt zur Erlangung der Typengenehmigung mit einer zu diesem Zweck entwickelten Motorsteuerungssoftware. Diese spiegelte auf dem Prüfstand wahrheitswidrig vor, dass die neuen Grenzwerte eingehalten seien; im Realbetrieb schaltete die Software jedoch in einen immissionsschädlichen anderen Modus.

Im Gegensatz hierzu werde beim Thermofenster die Abgasrückführung temperaturabhängig stärker oder weniger stark aktiviert. Das Einbauteil unterscheide somit nicht zwischen Prüfstand und realem Betrieb, sondern richte sich alleine nach der Außentemperatur.

Aber selbst wenn man ein Thermofenster doch als unzulässige Abschalteinrichtung und damit als unzulässig einstufen wollte, könne von einer sittenwidrigen Schädigung jedenfalls alleine aus dem Vorliegen eines solchen Thermofensters nicht ausgegangen werden. Hierzu bedürfe es weiterer tatsächlicher Feststellungen.

Autoren:
Klaus Krohn
Quelle:
Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 19. 01. 2021 – VI ZR 433/19