RICHARD BOORBERG VERLAG

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16.11.2020

Irreführende Werbung für Navigationssystem mit Bezeichnung »Autopilot«

  

Wirbt ein Fahrzeughersteller für einen Pkw mit den Begriffen »Autopilot« und »autonomes Fahren«, so ist dies irreführend und damit wettbewerbswidrig, da es sich lediglich um die Bezeichnung eines Fahrassistenzsystems handelt; ein komplett autonomes Fahren ist derzeit technisch noch nicht komplett umgesetzt und straßenverkehrsrechtlich ohnehin unzulässig.

Der Autohersteller Tesla warb auf seiner Website mit einem in den Bestellvorgang des Fahrzeugtyp »Modell 3« integrierten Text wie folgt: »Autopilot/inklusive – ermöglicht automatisches Lenken, Beschleunigen und Bremsen … Volles Potenzial für autonomes Fahren – Navigieren mit Autopilot-Funktionalität, automatische Fahrt auf Autobahnen und Überholen von langsameren Fahrzeugen; »Herbeirufen«: Ihr geparktes Auto findet sie auf Parkplätzen und kommt zu Ihnen. Bis Ende des Jahres – Ampel- und Stoppschildererkennung, automatisches Fahren innerorts.« Im Weiteren fand sich auf der Internetseite der Hinweis, dass die gegenwärtigen aktivierten Funktionen eine aktive Überwachung durch den Fahrer verlangen – ein autonomer Betrieb des Fahrzeugs sei damit nicht möglich. Die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs hielt diese werbliche Aussage der Firma Tesla für irreführend und damit für wettbewerbswidrig. Das Landgericht München I teilte diese Einschätzung und verbot dem Automobilhersteller, mit diesem Text weiterhin zu werben.

Assistenzsystem, kein Autopilot

Nach Auffassung des Gerichts stellten sich sowohl die Werbeaussage als Ganzes wie auch separate Werbeteile als irreführende geschäftliche Handlung dar. Die Verwendung der maßgeblichen Begriffe und Formulierungen erwecke bei den angesprochenen Interessenten eine Vorstellung, die mit den tatsächlichen Verhältnissen nicht im Einklang stehe. Denn in tatsächlicher Hinsicht handle es sich sowohl bei dem Tesla-Autopiloten als auch bei dem Paket »volles Potenzial für autonomes Fahren« lediglich um Komponenten eines Fahrer-Assistenzsystems. Bei diesem System ist jedoch eine Fahrt ohne menschliches Eingreifen nicht möglich. Durch die Verwendung der Begriffe »Autopilot« und andere Formulierungen suggerierte der Fahrzeugbauer jedoch, seine Fahrzeuge seien technisch in der Lage, vollkommen autonom zu fahren. Zudem werde der unzulässige Eindruck erweckt, ein autonomer Fahrzeugbetrieb sei in der Bundesrepublik Deutschland bereits straßenverkehrsrechtlich zulässig. Dies ist jedoch nicht der Fall, da dieser gegen § 1 a StVG verstößt. Abschließend verwies das Gericht darauf, dass auch der Hinweis des Fahrzeugherstellers am Ende der Website (»… Die gegenwärtig aktivierten Funktionen verlangen eine aktive Überwachung durch den Fahrer – ein autonomer Betrieb des Fahrzeugs ist damit nicht möglich …«) nicht ausreiche, die durch die plakative Bezeichnung »Autopilot« und »autonomes Fahren« hervorgerufene Fehlvorstellung und Irreführung des Lesers zu beseitigen.

Anmerkung:

Üblicherweise wird automatisches Verfahren in fünf Stufen gegliedert: Stufe 1 bedeutet »assistiertes Fahren«, etwa bestimmte Assistenzsysteme wie Abstandsregel-Tempomat. Stufe 2 beinhaltet teilautomatisierte Fahrten, z. B. automatisches Einparken, Spurhalten, Beschleunigen. Stufe 3 (hochautomatisierte Fahrten) ähnlich wie bei Stufe 2, Zusatzfunktionen, etwa Auslösen des Blinkers; Fahrer muss System nicht überwachen, allerdings kann der Fahrer aufgefordert werden, die Führung zu übernehmen. Stufe 4 – die Führung des Fahrzeugs wird zwar auch hier dauerhaft vom System übernommen. Das automatische Fahren unterliegt jedoch Einschränkungen:  Es kann auf bestimmte geographische Gebiete beschränkt sein, nur innerhalb eines kleineren Geschwindigkeitsbereichs oder nur bei bestimmten Wetterbedingungen funktionieren. Als letzte und höchste Stufe 5 wird das autonome Fahren bezeichnet. Diese Stufe ist dadurch gekennzeichnet, dass die Fahrzeuge keinen Fahrer, sondern nur noch Passagiere haben. Abgesehen von der Festlegung des Ziels und dem Starten des Systems ist kein menschliches Eingreifen mehr notwendig. Lenkrad und Pedale sind nicht mehr erforderlich. Zumindest diese Stufe 5 ist in der Realität noch nicht komplett umgesetzt und nach den derzeitigen gesetzlichen Vorschriften auch straßenverkehrsrechtlich untersagt.

Autoren:
Klaus Krohn
Quelle:
Urteil des Landgerichts München I vom 14. 07. 2020 – 33 O 14041/19