Eine Gemeinde, die in Form eines Kommunalunternehmens auch Erdgasversorger im Stadtgebiet war, hatte wegen höherer eigener Bezugspreise gegenüber den Endkunden die Gaspreise erhöht. Diese Tarifanpassungen entsprachen exakt dem Anstieg der eigenen Bezugskosten von Erdgas für das Kommunalunternehmen. Die Kunden wurden nicht persönlich über diese Anpassungen informiert. Das Kommunalunternehmen veröffentlichte seine Preise und allgemeinen Tarife sowie die Vertragsanpassungen jedoch auf seiner Internetseite. Die Tariferhöhungen wurden zudem in der regionalen Presse veröffentlicht.
Ein Kunde weigerte sich, die Tariferhöhungen zu bezahlen, da die Gaspreiserhöhungen unwirksam seien.
Das mit dieser Frage befasste Landgericht sah EU-Recht betroffen, und zwar die Erdgas-Binnenmarktrichtlinie. Es ersuchte daher den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) vor diesem Hintergrund um Auslegung dieser Rechtsvorschrift. Es wollte insbesondere wissen, ob die direkte Information des Kunden über die Tariferhöhungen eine Voraussetzung für die Gültigkeit der Gaspreisanhebung ist.
Preiserhöhung ohne Gewinnerzielung
Der EuGH betonte, dass zu unterscheiden sei, ob die Gaspreiserhöhung lediglich den Anstieg der eigenen Bezugskosten des Energieversorgers decken oder zusätzlich den Gewinn des Dienstleisters erhöhen soll.
Im vorliegenden Fall, in dem die Tarifänderungen von dem Gasversorger nur zu dem Zweck erfolgt waren, den Anstieg der Bezugskosten von Erdgas ohne Gewinnerzielungsabsicht auf den Kunden abzuwälzen, sei nach den EU-Vorschriften keine vorherige Information des Kunden erforderlich. Die Einhaltung der EU-Bestimmungen zur Transparenz und Information durch den Versorger sei zumindest dann keine Voraussetzung für die Gültigkeit der Tarifänderungen, wenn dem Kunden das Recht zugestanden werde, den Vertrag aufgrund der Erhöhung jederzeit zu kündigen und ihm angemessene Rechtsbehelfe zustehen, um Ersatz für den Schaden zu erhalten, der evtl. durch das Unterbleiben der persönlichen Mitteilung der Änderung entstanden sei.
Zur Begründung verwies der EuGH auf Folgendes: Wenn – wie hier – die Gaspreiserhöhung lediglich aufgrund des Anstiegs der Bezugskosten erfolgte, ohne dass der Versorger einen Gewinn beabsichtige, würde die Ungültigkeit dieser Änderung wegen unterbliebener persönlicher Mitteilung an den Kunden die wirtschaftlichen Interessen des Gasversorgers ernsthaft gefährden. Daher könne die Gültigkeit der Tariferhöhungen zur Umwälzung der Bezugskosten von Gas nicht von der persönlichen Information der Kunden abhängen, zumal der Gasversorger die Versorgungssicherheit seiner Kunden zu gewährleisten habe. Andernfalls könnte das vom Gasversorger getragene wirtschaftliche Risiko sowohl das mit der EU-Richtlinie verfolgte Ziel der Versorgungssicherheit infrage stellen als auch die wirtschaftlichen Interessen des Gasversorgers unverhältnismäßig beeinträchtigen.
Kündigungsrecht und angemessene Rechtsbehelfe für den Kunden
Der EuGH sah sehr wohl, dass auch in einer solchen Situation wie der vorliegenden die unterbliebene Mitteilung an den Kunden dessen Verbraucherschutzrechte beeinträchtigt seien. Deshalb sei es erforderlich, dass der Kunde den Liefervertrag nach Erhöhung des Gaspreises jederzeit kündigen könne. Da die Gasversorgung nach der Erhöhung zu einem Tarif durchgeführt werde, von dem er vor seinem Inkrafttreten keine Kenntnis haben konnte, müssten dem Kunden zudem angemessene Rechtsbehelfe offenstehen, um hierfür Schadensersatz verlangen zu können. Denn er habe nicht die Möglichkeit gehabt, rechtzeitig sein Recht auszuüben, nämlich den Versorger zu wechseln, um einen günstigeren Tarif zu erhalten.
Anmerkung
Das Landgericht Koblenz, das den Rechtsstreit zur Vorabanfrage an den EuGH vorgelegt hatte, wird die genannten Punkte nunmehr im weiteren Prozessverfahren zu berücksichtigen haben.