Fluggastrechteverordnung
Seit mehr als zehn Jahren existiert die EU-Fluggastrechteverordnung. Nach dieser hat der Reisende bei Verspätungen von mehr als drei Stunden, bei kurzfristig gestrichenen oder überbuchten Flügen Anspruch auf eine Entschädigung, den sog. Ausgleichsanspruch. Dessen Höhe bemisst sich nach Entfernungskilometern und beträgt entweder 250 €, 400 € oder bei Langstreckenflügen 600 €.
Das Luftfahrtunternehmen ist jedoch dann von dieser Ausgleichspflicht befreit, wenn es nachweisen kann, dass die Verspätung des Flugs auf außergewöhnliche Umstände zurückzuführen war, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären.
Der Bundesgerichtshof1 hatte zu entscheiden, ob solche außergewöhnlichen Umstände beim Ausfall aller Computersysteme in den Abfertigungsschaltern des Start-Flughafens vorliegen.
Der Fall
Ein Ehepaar buchte bei einer Fluggesellschaft Flüge von New York nach London mit Anschlussflügen nach Stuttgart. Die Flüge von New York nach London starteten sehr verspätet. Grund hierfür war ein kompletter Systemausfall aller Computersysteme an den Abfertigungsschaltern eines Terminals. Deshalb landeten die Flüge von New York nach London mehr als zwei Stunden nach der vorgesehenen Ankunftszeit. Infolgedessen erreichten die Eheleute den ursprünglich vorgesehenen Weiterflug von London nach Stuttgart nicht und kamen erst mit einer Verspätung von mehr als neun Stunden in Stuttgart an.
Das Ehepaar verlangte von der Luftverkehrsgesellschaft Ausgleichsansprüche nach der EU-Fluggastrechteverordnung in Höhe von jeweils 600 €. Beim Bundesgerichtshof hatte ihre Klage allerdings keinen Erfolg.
Systemausfall am Flughafen hat Fluggesellschaft nicht zu verantworten
Nach Einschätzung des Gerichts ist ein mehrstündiger Ausfall aller Computersysteme an den Abfertigungsschaltern eines Terminals ein außergewöhnlicher Umstand im Sinne der EU-Fluggastrechteverordnung. Folge: Die Fluggesellschaft brauchte keine Ausgleichszahlungen an die Passagiere zu leisten.
Denn der Betrieb der technischen Einrichtungen eines Airports, zu denen auch die Telekommunikationsleitungen gehören, obliegt allein dem Flughafenbetreiber. Ein Systemausfall wegen eines technischen Defekts, der zur Funktionsfähigkeit derartiger Einrichtungen über einen längeren Zeitraum führt, liegt im Risikobereich des Flughafenbetreibers. Der technische Defekt stellt ein Ereignis dar, das von außen auf den Flugbetrieb des Luftfahrtunternehmens einwirkt und dessen Ablauf beeinflusst. Ein derartiges Vorkommnis ist von diesem Unternehmen jedenfalls nicht zu beherrschen, da die Überwachung, Wartung und Reparatur derartiger Einrichtungen nicht im Verantwortungsbereich der Airline liegen.