Fluggastrechteverordnung
Ausgleichszahlungen nach der EU-Fluggastrechteverordnung sind auf reise- und beförderungsvertragliche Schadenersatzansprüche des betreffenden Fluggastes anzurechnen (BGH).
Seit mehr als zehn Jahren existiert die EU-Fluggastrechteverordnung. Nach dieser hat der Reisende bei Verspätungen von mehr als drei Stunden, bei kurzfristig gestrichenen oder überbuchten Flügen Anspruch auf eine Entschädigung, den sog. Ausgleichsanspruch. Dessen Höhe bemisst sich nach Entfernungskilometern und beträgt entweder 250 €, 400 € oder bei Langstreckenflügen 600 €.
Erhält ein Flugpassagier eine solche Ausgleichszahlung, so stellt sich die Frage, ob dieser Betrag auf anderweitige Schadenersatzansprüche nach nationalem Recht, etwa Hotelkosten, Taxikosten u. Ä. anzurechnen ist.
Der Bundesgerichtshof hatte sich in zwei Rechtsstreiten mit dieser Frage zu befassen.
Fall 1
Ein Ehepaar buchte bei einem Reiseveranstalter für die Zeit von Mitte Juli bis Anfang August 2016 eine Urlaubsreise, die Flüge von Frankfurt am Main nach Las Vegas und zurück sowie verschiedene Hotelaufenthalte umfasste. Den Eheleuten wurde die Beförderung auf dem für sie gebuchten Hinflug verweigert. Sie flogen daher am nächsten Tag über Vancouver nach Las Vegas, wo sie mehr als 30 Stunden später als geplant eintrafen.
Sie verlangten vom Reiseveranstalter die Erstattung der für die beiden ersten Tage der Urlaubsreise angefallenen Kosten des Mietwagens, des gebuchten, aber nicht genutzten Hotelzimmers sowie die Kosten für eine zusätzliche Hotelübernachtung.
Fall 2
Auch hier buchte ein Ehepaar einen Flug von Frankfurt am Main nach Windhoek, wo eine Rundreise durch Namibia starten sollte. Der Abflug verzögerte sich, sodass die Fluggäste ihr Ziel einen Tag später als vorgesehen erreichten.
Die Eheleute machten geltend, für die erste Nacht die ursprünglich gebuchte Lodge trotz Nichtnutzung bezahlen zu müssen und stattdessen in einem Hotel übernachten mussten. Diese Kosten machten sie geltend.
Einwand des Reiseveranstalters
In beiden Fällen hatten die Flugreisenden von der Fluggesellschaft eine Ausgleichszahlung für die Flugverspätung in Höhe von jeweils 600 € erhalten. Die beiden beklagten Reiseveranstalter machten geltend, dass dieser Betrag auf Schadenersatzansprüche (Hotelkosten, Mietwagen) mindernd anzurechnen sei. Der Bundesgerichtshof teilte diese Auffassung in beiden Verfahren.
Entschädigungszahlung ist auch Schadenersatz
Die Ersatzansprüche der Eheleute dienten der Kompensation der durch Nicht- oder Schlechterfüllung der Verpflichtungen des Reiseveranstalters hervorgerufenen Beeinträchtigungen. Diese umfassten zum einen die durch die verspätete Ankunft am Reiseziel nutzlos gewordenen Aufwendungen, zum anderen die Zusatzkosten für eine notwendig gewordene anderweitige Hotelunterkunft.
Diese nach nationalem Recht begründeten Schadenersatzansprüche seien nach allgemeinem Schadenersatzrecht zu behandeln. Hier gelte insbesondere der Grundsatz des Vorteilsausgleichs: Hiernach sind Vorteile, die dem Geschädigten im Zusammenhang mit dem Schadensereignis zugeflossen sind, auf den Schadensbetrag anzurechnen. Dies gelte auch für die hier erhaltenen Ausgleichszahlungen nach der Fluggastrechteverordnung.
Diese Entschädigungszahlungen sollen auch Ersatz für materielle Schäden durch Flugverspätungen oder Ausfälle begleichen; sie verfolgen somit denselben Zweck wie die hier von den Ehepaaren geltend gemachten Schadenersatzansprüche. Deshalb sei eine Anrechnung zugunsten des Reiseveranstalters geboten.
Somit waren die Schadenersatzansprüche der Ehepaare in beiden Prozessen um die bereits erhaltenen 600 € an Ausgleichszahlung nach der EU-Fluggastrechteverordnung zu kürzen.
Anmerkung:
In § 651 p Abs. 3 S. 1 Nr. 1 BGB ist diese Anrechnungsmöglichkeit seit 01. 07. 2018 nunmehr gesetzlich ausdrücklich vorgesehen: »Hat der Reisende gegen den Reiseveranstalter Anspruch auf Schadenersatz, . . . so muss der Reisende den Betrag anrechnen lassen, den er aufgrund desselben Ereignisses . . . nach Maßgabe internationaler Übereinkünfte . . . erhalten hat«.