Ein Mann buchte bei einem Reiseveranstalter eine Pauschalreise nach Kos für sich, seine Ehefrau und seine zwei Kinder im Alter von 17 und 21 Jahren zum Preis von 7 008 € für den Zeitraum vom 08. bis zum 15. 10. 2016. Die Unterbringung und Verpflegung am Zielort sollten im dortigen Robinson-Club erfolgen.
Am Vortag des Abflugs informierte das Reisebüro den Reisenden mittags über möglicherweise auftretende Probleme des am nächsten Tag um 3:00 Uhr geplanten Hinflugs. Auf telefonische Nachfrage des Manns erklärte der Reiseveranstalter nachmittags, dass Ersatzflüge beschafft werden konnten und die Reise stattfinde. Daher begab sich die Familie am Abreisetag gegen 1:00 Uhr nachts zum Flughafen. Dort erfuhr die Familie, dass der Flug ersatzlos gestrichen war.
Noch am selben Tag buchte der Mann für die Familie eine Ersatzreise beim selben Veranstalter mit demselben Ziel, nunmehr für den Zeitraum vom 10. bis zum 19. 10. 2016; der Reisepreis betrug jetzt 8 916 €.
Am neu bestimmten Abreisetag fand sich die Familie erneut pünktlich am Flughafen ein. Dort erfuhr sie, dass der Flug überbucht sei.
Daraufhin verbrachte die Familie die Urlaubszeit zu Hause.
Der Vater forderte vom Reiseveranstalter Schadenersatz wegen vertanen Urlaubs in voller Höhe des zweiten vereinbarten Reisepreises. Der Reiseveranstalter leistete hierauf eine Zahlung in Höhe von 4 458 €, also 50 % des Reisepreises.
Daraufhin machte der Vater die zweite Hälfte des Reisepreises als vertane Urlaubszeit gerichtlich geltend. Beim Oberlandesgericht Celle erhielt er (weitere) 3 120,60 € als Entschädigung zuerkannt, sodass er insgesamt 85 % des Reisepreises als Entschädigungsbetrag zugesprochen bekam.
Keine allgemeine Entschädigungsgrenze bei 50 %
Das Gericht machte zunächst deutlich, dass eine vollständige Vereitelung der Urlaubsreise – wie hier – nicht gleichzeitig bedeute, dass der Reisende damit auch 100 % des Reisepreises als Entschädigung für vertane Urlaubszeit verlangen könne. Auch wenn der Bundesgerichtshof in früheren Entscheidungen im Fall des kompletten Ausfalls der Reise andeutete, dass eine Entschädigung in Höhe von 50 % des Reisepreises angemessen sei, bedeute dies nicht, dass der Bundesgerichtshof damit eine generelle Grenze in Höhe des halben Reisepreises ziehen wollte. Vielmehr sei eine konkrete Bewertung des Einzelfalls vorzunehmen.
Bewertung des Einzelfalls
Im vorliegenden Fall hatte die Familie eine hochwertige Reise (Robinson Club, Vollpension, Reisepreis zunächst 7 008 € für vier Personen bei nur sieben Tagen Reisezeit) gebucht. Die Familie wurde erst am Vortag vom Reisebüro über Probleme mit dem Hinflug informiert, von der Telefonauskunft des Reiseveranstalters aber dennoch auf ausdrückliche Nachfrage aufgefordert – mitten in der Nacht – am Flughafen zu erscheinen. Nachdem die Familie sogleich über das Reisebüro eine Ersatzreise gebucht hatte (neun Reisetage, Reisepreis sogar 8 916 €), begab sie sich zwei Tage später erneut zum Flughafen und erfuhr wiederum erst dort, dass auch diese Reise wegen Überbuchung des Flugs nicht stattfinden könne.
Somit lagen nach Einschätzung des Gerichts zwei Umstände vor, die einen über den 50 % des Reisepreises hinausgehenden Entschädigungsbetrag rechtfertigten, nämlich die Hochwertigkeit der Reise und eine hier sogar besonders ausgeprägte Kurzfristigkeit der zweimaligen Absage.
Aber auch weitere Umstände seien zu berücksichtigen: Der Reiseveranstalter hatte die Familie gleich zweimal, einmal davon mitten in der Nacht, gleichsam »auf gut Glück« zum Flughafen anreisen lassen. Schon deshalb bestand für ihn alle Veranlassung, von sich aus alles zu tun, um trotz Überbuchung eine Möglichkeit zum Abflug zu finden.
Schließlich kam noch hinzu, dass die Familie zum letzten Mal mit den erwachsenen Kindern verreisen wollte und die Tochter am ursprünglich geplanten Abreisetag ihren 21. Geburtstag feiern wollte, was durch die kurzfristige Absage vereitelt wurde.
Somit gelangte das Oberlandesgericht abschließend zu der Überzeugung, dass unter Berücksichtigung all dieser Umstände ein Entschädigungsbetrag von 85 % des Reisepreises angemessen sei. Unter Anrechnung des bereits gezahlten Betrags von 4 458 € standen der Familie somit noch 3 120,60 € (zusammen: 7 578,60 € = 85 % des Reisepreises) zu.