Wer kennt das nicht? Die freundliche Apothekerin gibt beim Kauf von Medikamenten noch ein Päckchen Papiertaschentücher als Zugabe in die Tüte. Eine nette Zuwendung. Doch damit ist jetzt Schluss, zumindest beim Erwerb von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln. So jedenfalls der Bundesgerichtshof in zwei aktuellen Entscheidungen.
Sachverhalt
In einem Verfahren händigte eine Apothekerin Kunden auch beim Erwerb verschreibungspflichtiger Arzneimittel einen Gutschein für ein Brötchen aus. Der Gutschein konnte bei einer um die Ecke gelegenen Bäckerei eingelöst werden.
Eine Verbraucherschutzzentrale war der Auffassung, dass es sich hierbei um unlauteren Wettbewerb handle, da der Verkauf rezeptpflichtiger und preisgebundener Arzneimittel mit der kostenfreien Abgabe eines Brötchengutscheins verknüpft werde.
In dem anderen Verfahren gewährte ein Apotheker seinen Kunden zeitweise eine Vergünstigung in Form eines 1-Euro-Gutscheins. Die Kunden konnten diesen Gutschein bei einem späteren Einkauf in der Apotheke einlösen.
Auch hier beklagte eine Verbraucherzentrale diesen Umstand, da beim Kauf eines rezeptpflichtigen und preisgebundenen Arzneimittels ein Einkaufsgutschein als Werbezugabe gewährt werde.
Die Vorinstanzen, also die Oberlandesgerichte, sahen die Sachlage noch durchaus unterschiedlich, der Bundesgerichtshof war jedoch eindeutig: Die Zugabe sowohl eines Brötchen-Gutscheins als auch eines 1-Euro-Gutscheins beim Erwerb eines verschreibungspflichtigen Medikaments ist wettbewerbswidrig, weil beide Werbegaben gegen die geltenden Preisbindungsvorschriften für verschreibungspflichtige Medikamente verstoßen.
Preisbindung
Verschreibungspflichtige Arzneimittel unterliegen in Deutschland der Preisbindung (§ 78 AMG). Dies bedeutet, dass ein Medikament, das ausschließlich bei Vorlage eines ärztlichen Rezepts abgegeben werden darf, in allen Apotheken der Bundesrepublik den gleichen Verkaufspreis hat.
Gesetzesänderung
Bei einer Werbung für Arzneimittel dürfen Zuwendungen oder sonstige Werbegaben (Waren oder Dienstleistungen) nur angeboten, angekündigt oder gewährt werden, wenn eine gesetzlich vorgesehene Ausnahme vorliegt (§ 7 Absatz 1 Satz 1 HWG). Diese Regelung soll der Gefahr begegnen, dass Verbraucher bei der Entscheidung, ob und ggf. welche Heilmittel sie in Anspruch nehmen, durch die Aussicht auf Werbegaben unsachlich beeinflusst werden.
Bis vor einigen Jahren enthielt die entsprechende Vorschrift noch die Ausnahme, dass es sich bei den Zuwendungen oder Werbegaben um Gegenstände von geringem Wert oder um geringwertige Kleinigkeiten handelt. Diese Ausnahme wurde zwischenzeitlich vom Gesetzgeber eingeschränkt, und zwar dahingehend, dass Zuwendungen oder Werbegaben für Arzneimittel generell unzulässig sind, »die wegen ihrer Verschreibungspflicht der Preisbindung des Arzneimittelgesetzes unterliegen«. So auch in den beiden hier vorliegenden Fällen.
Dieses absolute Werbezugabe-Verbot für die den Preisvorschriften des Arzneimittelgesetzes zwingend unterliegenden Arzneien soll einen ruinösen Preiswettbewerb zwischen den Apotheken verhindern und eine flächendeckende sowie gleichmäßige Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln sicherstellen.
Geringer Wert der Werbegaben ist unerheblich
Der Umstand, dass es sich vorliegend sowohl bei einem Brötchen-Gutschein als auch bei einem 1-Euro-Gutschein um Werbegaben von nur geringem Wert handelte, änderte an der Unzulässigkeit nichts. Der Gesetzgeber ist bei der mit Wirkung ab Mitte 2013 vorgenommenen Änderung des Heilmittelwerbegesetzes davon ausgegangen, dass jede Abweichung vom Apothekenabgabepreis für verschreibungspflichtige Arzneimittel geeignet ist, einen unerwünschten Preiswettbewerb zwischen den Apotheken auszulösen. Daher dürfe die eindeutige gesetzliche Regelung, nach der jede Gewährung einer Zuwendung oder sonstigen Werbegabe, die gegen die Preisvorschriften des Arzneimittelgesetzes verstößt, unzulässig ist, nicht dadurch unterlaufen werden, dass ein solcher Verstoß etwa als nicht spürbar eingestuft werde und damit nicht wettbewerbswidrig sei. Die finanzielle Geringwertigkeit der Wertabgabe ist nach Auffassung des Bundesgerichtshofs völlig unbeachtlich, nachdem die Preisbindung nach dem Willen des Gesetzgebers strikt einzuhalten ist.
Anmerkung:
Damit herrscht hinsichtlich der Frage, ob bei verschreibungspflichtigen Medikamenten seitens der Apotheke geringwertige Zugaben verschenkt werden dürfen, Klarheit.
Nicht betroffen von dem Verbot kleiner Zugaben ist die Abgabe von nicht verschreibungspflichtigen, also frei erhältlichen Medikamenten. Diese unterliegen nicht der Preisbindung für verschreibungspflichtige Arzneien, können also von den Apotheken mit unterschiedlichem Preis angeboten werden. Deshalb sind auch geringwertige Zugaben beim Verkauf dieser Medikamente weiterhin zulässig.