RICHARD BOORBERG VERLAG

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28.03.2022

Betriebsschließungsversicherung zahlt nicht für Schäden während der Corona-Pandemie

        

Der Bundesgerichtshof (BGH) urteilte in einem für Gastronomen immens wichtigen Fall – allerdings zuungunsten der Branche. Ein Restaurantbetreiber aus Travemünde an der Ostsee bekommt von seiner Betriebsschließungsversicherung demnach keine Schäden ersetzt, die ihm durch die Schließungen während der Lockdowns in der Corona-Pandemie entstanden sind. Denn zu seinem Nachteil waren in der Police weder Covid-19 noch Sars-CoV-2 genannt.

Der Betreiber eines Restaurants im Ferienort Travemünde musste – wie so viele Gastronomen – während der beiden Lockdowns der Corona-Pandemie im März und im November 2020 schließen. Die Schließungen waren behördlich angeordnet worden. Ab März war sein italienisches Restaurant daher zwei Monate und ab November fünf Monate geschlossen. Währenddessen verkaufte der Unternehmer, wie von den Behörden gestattet, weiter über einen Lieferdienst.

Versicherungsvertrag listet Krankheiten und Erreger auf

Der Betreiber hatte bei einer Versicherung Schäden durch eine Schließung seines Betriebes abgesichert. In der Police zur Betriebsschließungsversicherung seines Versicherers Axa stand unter anderem geschrieben:

„§ 2 Versicherte Gefahren

Versicherungsumfang

Der Versicherer leistet Entschädigung, wenn die zuständige Behörde aufgrund des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz – IfSG) beim Auftreten meldepflichtiger Krankheiten oder Krankheitserreger (siehe Nr. 2) den versicherten Betrieb oder eine versicherte Betriebsstätte zur Verhinderung der Verbreitung von meldepflichtigen Krankheiten oder Krankheitserregern beim Menschen schließt; Tätigkeitsverbote gegen sämtliche Betriebsangehörige eines Betriebes oder einer Betriebsstätte werden einer Betriebsschließung gleichgestellt; ... Meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger Meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger im Sinne dieser Zusatzbedingungen sind die folgenden, im Infektionsschutzgesetz in den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger:

Krankheiten: ...

Krankheitserreger: ...

...“

Der Betreiber forderte von der Versicherung rund 40.000 €. Das Unternehmen verweigerte die Zahlung. Der Mann klagte.

Covid-19 und Sars-Cov-2 nicht erwähnt

In den Vorinstanzen hatte der Gastronom kein Glück. Und auch der BGH urteilte nicht zu seinen Gunsten: In dem Versicherungsvertrag waren weder die Krankheit COVID-19 noch der Krankheitserreger Sars-CoV-2 namentlich genannt. Im Detail führten die Richter aus, dass nach § 2 Nr. 1 Buchst. a Halbsatz 1 ZBSV 08 ein Versicherungsschutz nur für Betriebsschließungen besteht, die zur Verhinderung der Verbreitung von meldepflichtigen Krankheiten oder Krankheitserregern angeordnet werden. Die meldepflichtigen Krankheiten oder Krankheitserreger ergeben sich aus dem Katalog in § 2 Nr. 2 ZBSV 08, der nach dem für die Auslegung von Allgemeinen Versicherungsbedingungen maßgeblichen Verständnis des durchschnittlichen Versicherungsnehmers abschließend sei und weder die Krankheit COVID-19 noch den Krankheitserreger SARS-CoV-2 aufführe.

Der durchschnittliche Versicherungsnehmer werde sich zunächst am Wortlaut orientieren und in § 2 Nr. 1 ZBSV 08 dem Klammerzusatz „(siehe Nr. 2)“ hinter den Worten „meldepflichtiger Krankheiten oder Krankheitserreger“ entnehmen, dass die vom Versicherungsschutz umfassten meldepflichtigen Krankheiten und Krankheitserreger in § 2 Nr. 2 ZBSV 08 näher bestimmt werden. Sodann werde er diese Klausel in den Blick nehmen und an der Überschrift „2. Meldepflichtige Krankheiten oder Krankheitserreger“ und der anschließenden Formulierung „Meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger im Sinne dieser Zusatzbedingungen sind ...“ erkennen, dass insoweit eine eigenständige Definition in den Bedingungen erfolge. Die anschließende umfangreiche Aufzählung von Krankheiten und Krankheitserregern werde er als abschließend erachten, argumentierten die Richter.

Versicherungsnehmer nicht umfassend geschützt

Auch der erkennbare Zweck und der Sinnzusammenhang der Klausel machten deutlich, dass der Katalog mit den genannten Erregern abschließend sei. Zwar würde der durchschnittliche Versicherungsnehmer durchaus ein Interesse daran haben, möglichst umfassend geschützt zu sein. Allerdings könne er auch nicht davon ausgehen, dass der Versicherer auch für nicht im Katalog aufgeführte Krankheiten und Krankheitserreger die Deckung übernehmen wolle. Das zeige gerade die Corona-Pandemie, die erst Jahre, nachdem der Vertrag abgeschlossen worden sei, auftauchte und bei der, da das Haftungsrisiko völlig unklar sei, eine „sachgerechte Prämienkalkulation“ für den Versicherer nicht möglich sei.

Daneben verstoße die Versicherungsklausel auch nicht gegen AGB-Recht. Denn durch den klaren Wortlaut sei es für den Versicherungsnehmer eindeutig, dass die Aufzählung der Krankheiten und Krankheitserreger abschließend sei und die Versicherung nicht jede Betriebsschließung decke. Darüber hinaus, so das Gericht, sei es – anders als von der Vorinstanz angenommen – für den Versicherungsfall irrelevant, ob eine konkrete Infektionsgefahr vom konkreten Unternehmen ausgehe.

Anmerkung

Das Urteil schafft zumindest Rechtssicherheit für die von den Schließungen in der Corona- Pandemie betroffenen Betriebe. Bislang hatten die Gerichte nicht einheitlich entschieden, häufiger kam es zu Vergleichen zwischen Versicherung und Versicherungsnehmer. Allein beim BGH waren noch weit mehr als hundert Klagen gegen Versicherungen anhängig. Viele Versicherte erhielten inzwischen neue Verträge. Beim Gastronomen aus Travemünde sind Pandemien nicht mitversichert. Eine Krux, denn die Richter aus Karlsruhe wiesen in einem Urteil vom 12. Januar (XII ZR 8/21) zur Mietminderung des Textilunternehmens KiK während der Corona-Pandemie noch darauf hin, dass die Betreiberin zur Kompensation von pandemiebedingten Umsatzeinbußen Maßnahmen wie beispielsweise Mittel aus einer Betriebsschließungsversicherung ergreifen könne. Hier muss die Vorinstanz nun noch einmal prüfen, ob der Discounter die Miete mindern kann. Betriebsschließungsversicherungen müssen also bei Vertragsschluss bis ins kleinste Detail geprüft werden.

Autoren:
Anna Kristina Bückmann
Quelle:
Bundesgerichtshof, Urteil vom 26.01.2022 – IV ZR 144/21