RICHARD BOORBERG VERLAG

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21.10.2020

Bei Abstimmung mit »einfacher Mehrheit« zählen Enthaltungen nicht

  

Ist für einen Beschluss nach der Satzung eines Vereins eine »einfache Mehrheit« erforderlich, ist diese erreicht, wenn für den Beschlussgegenstand mehr Stimmen abgegeben werden als gegen ihn. Dabei kommt es auf die abgegebenen Stimmen an; Enthaltungen werden nicht mitgezählt.

Der Vorstand eines Vereins meldete unter Vorlage des Protokolls der brieflichen Abstimmung einer Mitgliederversammlung Herrn L und Frau S als stellvertretende Vorsitzende zur Eintragung in das Vereinsregister beim Amtsgericht an. In dem der Anmeldung beigefügten Protokoll war festgehalten, dass Herr L mit 79 Ja- Stimmen und Frau S mit 74 Ja-Stimmen gewählt worden waren, bei 172 stimmberechtigten Stimmen. Das Protokoll enthielt keine Angaben zu Gegenstimmen oder Enthaltungen.

Das Registergericht wies darauf hin, dass bei 172 abgegebenen Stimmen für die Wahl der stellvertretenden Vorstandsmitglieder jeweils 87 Ja-Stimmen erforderlich gewesen seien, sofern es keine Stimmenthaltungen gegeben habe; denn nach den Vorgaben der Vereinssatzung sei eine einfache Mehrheit erforderlich gewesen.

Die entsprechende Vorschrift der Satzung lautete: »Die Mitgliederversammlung fasst ihre Beschlüsse mit der einfachen Mehrheit der abgegebenen Stimmen.« Letztlich lehnte das Amtsgericht die Anmeldung der beiden stellvertretenden Vorsitzenden ab.

Das Kammergericht Berlin bestätigte diese Entscheidung, da die beiden Kandidaten nicht mit der erforderlichen Stimmenmehrheit gewählt worden seien.

Unklare Wahlsituation

Nach Auffassung des Gerichts hatte das Registergericht die Anmeldung zu Recht zurückgewiesen, da die Wahl der angemeldeten Stellvertreter unwirksam war. Aus dem eingereichten Protokoll der Mitgliederversammlung ergab sich nicht, ob die beiden Kandidaten mit der nach der Satzung notwendigen einfachen Mehrheit der Stimmen gewählt worden waren.

Denn es ließ sich nicht feststellen, ob diejenigen Mitglieder, die nicht mit »Ja« abgestimmt hatten, sich der Wahl enthalten oder aber mit »Nein« abgestimmt hatten. Da nicht auszuschließen sei, dass die verbleibende Mehrheit gegen die Kandidaten gestimmt habe, könne keine der beiden angemeldeten Personen als gewählt angesehen werden.

Einfache Mehrheit – relative Mehrheit

Die einfache Mehrheit – wie in der Satzung des Vereins festgelegt – erreicht ein Beschlussantrag oder Wahlvorschlag dann, wenn er mehr als die Hälfte der gültigen Stimmen auf sich vereinigt. Erforderlich ist also, dass die Zahl der gültigen Ja-Stimmen diejenigen der gültigen Nein-Stimmen um wenigstens eine übertrifft; Stimmenthaltungen und ungültige Stimmen werden bei der Festlegung des Abstimmungsergebnisses nicht mitgezählt.

Von dieser einfachen Mehrheit ist die sog. relative Stimmenmehrheit zu unterscheiden. Bei dieser genügt es, dass der Kandidat die Mehrheit aller abgegebenen Ja- und Nein-Stimmen erreicht. Wenn diese Abstimmungsvariante gewollt sei, müsse dies durch eine entsprechende Regelung in der Satzung klargestellt werden. Nicht zulässig ist es, ein anderes Mehrheitserfordernis etwa durch Auslegung der Satzung zu erzielen. Der Wortlaut im vorliegenden Fall sehe eindeutig die »einfache Mehrheit« vor. Dass der Begriff einfache Mehrheit häufig missverstanden werde, könne daran nichts ändern.

Somit war nicht sicher, ob das Mehrheitserfordernis der einfachen Mehrheit im vorliegenden Fall gegeben war. Hierfür hätte jeder der Kandidaten mindestens 87 Ja-Stimmen erhalten haben müssen. Da nicht auszuschließen war, dass die verbleibende Mehrheit gegen die jeweiligen Kandidaten gestimmt hatte, konnte keine der angemeldeten Personen seitens des Registergerichts als gewählt angesehen werden.

Autoren:
Klaus Krohn
Quelle:
Beschluss des Kammergerichts Berlin vom 23. 05. 2020 – 22 W 61/19