Eine 15 Meter hohe Schwarzkiefer war Grund eines Streits zweier Nachbarn. Der Baum stand bereits seit 40 Jahren auf einem der beiden Grundstücke, seit mehr als 20 Jahren ragten seine Äste auf das Nachbargrundstück rüber. Von dem Baum fielen Nadeln und Zapfen auf das benachbarte Grundstück. Der betroffene Nachbar forderte die Anwohner neben ihm auf, die überhängenden Zweige abzuschneiden. Da diese dem nicht nachkamen, schnitt er selbst – zum Gram der Nachbarn. Sie klagten darauf, überhängende Zweige nur unterhalb von fünf Metern abzuschneiden. Es drohe die Gefahr, dass der Baum umkippe. Das Amtsgericht Pankow/Weißensee und das Landgericht Berlin gaben den Grundstückseigentümern Recht.
BGH hebt Urteil auf
Der Bundesgerichtshof (BGH) hob das Urteil jedoch auf und verwies es an das Berufungsgericht zurück.1 Die Begründung des Gerichts sei überholt. Dieses hatte nämlich angenommen, das Selbsthilferecht des Nachbarn (§ 910 BGB), wonach dieser eingedrungene Wurzeln eines Baumes oder Strauches oder überhängende Äste selbst abschneiden kann, wenn der Nachbar trotz Aufforderung nicht tätig wird, gelte nur für unmittelbar ausgehende Beeinträchtigungen der herüberreichenden Pflanzen. Der BGH hatte jedoch bereits 2019 entschieden, dass die Vorschrift auch dann gelte, wenn herabfallende Nadeln und Zapfen mittelbar das Grundstück beeinträchtigten.2
Gericht muss Beeinträchtigung prüfen
Das Berufungsgericht muss nun prüfen, ob durch die herabfallenden Nadeln und Zapfen das Nachbargrundstück beeinträchtigt wird. Falls das so sei, müssten die Nachbarn, auf deren Grundstück der Nadelbaum stehe, dies hinnehmen. Denn selbst dann, wenn der Baum drohe, durch das Abschneiden der Äste umzufallen oder abzusterben, sei dies für die Nachbarn nicht unzumutbar. Das Selbsthilferecht aus § 910 Abs. 1 BGB sollte nach der Vorstellung des Gesetzgebers einfach und allgemein verständlich ausgestaltet sein, es unterliege daher insbesondere keiner Verhältnismäßigkeits- oder Zumutbarkeitsprüfung.
Eigentümer des (Baum-)Grundstücks ist verantwortlich
Dass Äste und Zweige nicht über die Grundstücksgrenzen hinauswachsen, liege in der Verantwortung des Eigentümers, auf dem der Baum stehe. Er könne nicht von seinem Nachbarn verlangen, die Beeinträchtigung seines Grundstücks hinzunehmen – auch nicht, wenn der Baum drohe, durch das Schneiden abzusterben oder umzukippen. Das Selbsthilferecht des Nachbarn könne aber durch naturschutzrechtliche Vorschriften eingeschränkt sein. Ob dies der Fall sei, darüber müsse das Berufungsgericht entscheiden.