Dem Urteil liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Drei Einzelpersonen, die Mitglieder und zum Teil aktive Funktionsträger von Organisationen sind, haben Verfassungsbeschwerde gegen einige Vorschriften des Bayerischen Verfassungsschutzgesetzes (BayVSG) erhoben. Im Wesentlichen richtete sich ihre Verfassungsbeschwerde gegen verschiedene Datenerhebungs- und Ermittlungsbefugnisse aus dem BayVSG, die dem Landesamt für Verfassungsschutz eingeräumt wurden. Die Beschwerdeführer standen vom Bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz unter Beobachtung und wurden auch in dessen Verfassungsschutzberichten erwähnt. Bei der Erhebung der Verfassungsbeschwerde wurden sie von der „Gesellschaft für Freiheitsrechte“ unterstützt.
Das streitgegenständliche bayerische Verfassungsschutzgesetz wurde 2016 neugefasst und dabei grundlegend strukturiert. Die Neufassung erfolgte aufgrund einer Gesetzesnovelle vom Landtag Bayern im Jahr 2016. Grund für die Novelle war laut Angabe des bayerischen Innenministers Joachim Herrmann (CSU) die Notwendigkeit eines besseren Datenaustauschs zwischen den Sicherheitsbehörden.
Das neu geregelte Verfassungsschutzgesetz gab dem Bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz weitreichende Befugnisse, wie etwa die verdeckte Online-Durchsuchung von Computern mit sogenannten Staatstrojanern, den Einsatz von V-Leuten zur Beobachtung, die Übermittlung und Verarbeitung von Informationen und viele mehr. Gegen diese Vorschriften wandten sich die Beschwerdeführer mit ihrer Klage.
Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts
Das Bundesverfassungsgericht gab den Beschwerdeführern Recht. Es erklärte die Vorschriften des BayVSG für teilweise verfassungswidrig und führte in seinen Entscheidungsgründen umfangreich aus, welche Hürden der Gesetzgeber beachten müsse, unter welchen Voraussetzungen besonders grundrechtsintensive Maßnahmen zulässig seien.
Nach Ansicht der Verfassungsrichter seien unter anderem folgende Vorschriften des Verfassungsschutzgesetzes teilweise verfassungswidrig: Zum einen verstoße der Art. 9 des BayVSG, der die Wohnraumüberwachung regelt, gegen Art. 13 GG, das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung. Danach sind Wohnraumüberwachungen nur zur Abwehr dringender Gefahren erlaubt. Diesen Anforderungen werde Art. 9 BayVSG nicht gerecht, da die Maßnahme nicht final auf die Abwehr einer Gefahr ausgerichtet sei.
Zudem sei Art. 12 Abs.1 des BayVSG verfassungswidrig, die Ortung von Mobilfunkendgeräten. Die Befugnisse der Mobilfunkortung seien hier zu weit gefasst, sodass sie auch eine langdauernde Überwachung der Bewegungen der Betroffenen erfasse, also ein sogenanntes Bewegungsprofil erstellen würden. An der Erstellung eines Bewegungsprofils fehle es jedoch im Gesetz an den verfassungsrechtlichen Anforderungen. Es wäre eine gesteigerte Beobachtungsbedürftigkeit vorauszusetzen, und der Behörde müssten dafür Anhaltspunkte gegeben werden.
Zudem sei der Art. 10 Abs.1 BayVSG verfassungswidrig, in dem die Online-Durchsuchung geregelt ist. Danach ist das Landesamt ermächtigt, mit technischen Mitteln Daten auf den von den Betroffenen genutzten Computern zu erheben. Dies verstoße gegen das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung. Eine Online-Durchsuchung dürfe nach Ansicht der Verfassungsrichter nur zur Abwehr einer mindestens konkretisierten Gefahr zugelassen werden.
Art. 18 und Art. 19 des BayVSG, die Regelungen zum Einsatz von Verdeckten Ermittlern und Vertrauensleuten enthalten, seien ebenfalls verfassungswidrig, weil auch sie gegen das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung verstießen. Es seien hierfür keine hinreichenden Eingriffsschwellen vorhanden.
Anmerkung
Der bayerische Gesetzgeber hat nun die Möglichkeit, das BayVSG verfassungskonform auszugestalten. Es gehe um das Spannungsverhältnis zweier Herzensanliegen unserer Verfassung, der wehrhaften Demokratie einerseits und des Schutzes persönlicher Freiheit andererseits, so der Präsident des Bundesverfassungsgerichts Stephan Haberts. Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann kündigte an, die Vorgaben möglichst schnell umzusetzen. Das Gericht hat hierfür eine Frist bis Juli 2023 gesetzt.