RICHARD BOORBERG VERLAG

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10.02.2022

BVerfG: Keine Entschädigung für Witwe von Helmut Kohl wegen nicht genehmigter Zitate

  

Die Witwe und Alleinerbin von Helmut Kohl, Maike Kohl-Richter, erhält keine Entschädigung für die im Buch „Vermächtnis – die Kohl-Protokolle“ veröffentlichten, von ihrem verstorbenen Mann nicht genehmigten Zitate. Das entschied das Bundesverfassungsgericht (BVerfG).

Die Richter begründeten die Entscheidung mit dem Genugtuungsgedanken, der beim Geldentschädigungsanspruch wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts im Vordergrund steht. Einem Verstorbenen könne Genugtuung nicht mehr verschafft werden. Die grundsätzliche Unvererblichkeit eines solchen Anspruchs entspreche der gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung.

116 Passagen: Kohl verklagt Verlag und Journalisten nach Buch-Veröffentlichung

2017 hatte das Landgericht Köln (LG) Altkanzler Helmut Kohl eine Million Euro zugesprochen, weil in seinen Memoiren „Vermächtnis – die Kohl-Protokolle“ zahlreiche Zitate verwendet worden waren, die der Politiker nicht genehmigt hatte. Das Buch war vom Journalisten und Schriftsteller Heribert Schwan gemeinsam mit dem bereits verstorbenen Co- Autor des Werks, Tilman Jens, verfasst worden. Schwan war dafür mehr als 100 Tage bei Kohl zuhause zu Gast. Zum Ende hin kam es zum Streit zwischen den beiden. Die Gespräche hatte Schwan auf Band aufgezeichnet. 2014 erschien das Buch beim Heyne-Verlag.

Kohl hatte die Verlagsgruppe Penguin Random House, zu der der Heyne-Verlag gehört, und die beiden Journalisten auf Entschädigung in Höhe von fünf Millionen Euro verklagt sowie darauf, es zu unterlassen, die betreffenden Passagen zu verwenden. Nach den Angaben Kohls geht es um 116 Passagen. Diese verletzten ihn in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht.

Im Juni 2017 verstarb Kohl. Das Urteil des LG Köln, das nur einige Wochen vor seinem Tod erlassen wurde, war zu dem Zeitpunkt noch nicht rechtskräftig. Seine Witwe, Maike Kohl- Richter, versucht seitdem, die Entschädigung zu bekommen.

Landgericht spricht Witwe eine Million Euro zu

Das LG Köln sprach Kohl-Richter eine Entschädigung in Höhe von einer Million Euro zu. Darüber hinaus wies es die Klage ab. Zum Unterlassungsanspruch entschieden die Richter in Nordrhein-Westfalen, dass diesem stattzugeben sei. Denn zumindest Schwan sei durch eine mit Kohl anlässlich der „Memoirengespräche“ indirekt geschlossene Verschwiegenheitsvereinbarung zur Unterlassung verpflichtet. Gegen den Verlag und Co- Autor Jens ergebe sich der Unterlassungsanspruch aus § 823 Abs. 1, § 830 BGB, § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG. Denn mit der Veröffentlichung und Verbreitung der betroffenen Textpassagen hätten sie Kohl in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt.

OLG: Entschädigungsanspruch nicht vererblich

Auf die Berufung der beiden Journalisten und des Verlags hin wies das Oberlandesgericht (OLG) die Klage vollständig ab. Der Anspruch auf Geldentschädigung wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts sei nicht vererblich, weshalb der Klageanspruch jedenfalls mit dem Tod des Altkanzlers erloschen sei.

Zur Unterlassung entschied das OLG wie das LG mit Blick auf eine indirekt geschlossene Verschwiegenheitsvereinbarung. Witwe Kohl- Richter legte dagegen Revision beim BGH ein. Da Co-Autor Jens zwischenzeitlich verstorben war, betraf die Entscheidung aus Karlsruhe nur noch die Ansprüche gegen Schwan und den Verlag.

BGH: keine Genugtuung durch Entschädigung für Verstorbenen

Hinsichtlich des Anspruchs auf Unterlassung entschied der BGH wie das OLG: Der Geldentschädigungsanspruch wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts sei nicht vererblich und daher mit dem Tod Kohls untergegangen. Die Richter begründeten die Entscheidung mit dem Genugtuungsgedanken, der beim Geldentschädigungsanspruch wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts im Vordergrund steht. Einem Verstorbenen könne Genugtuung aber nicht mehr verschafft werden. Die grundsätzliche Unvererblichkeit eines solchen Anspruchs entspreche der gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung. Der Senat sah auch keinen Grund, davon eine Ausnahme zu machen.

Passagen nicht einmal sinngemäß wiedergeben

Die Richter in Karlsruhe unterschieden hinsichtlich der 116 Zitate, dass Journalist Schwan die Verbreitung bereits wegen der zumindest indirekten Verschwiegenheitsvereinbarung mit Kohl verboten ist. Beim Verlag gebe es diese Vereinbarung nicht. 29 Passagen dürften aber definitiv nicht verbreitet werden, da Kohl damit falsch zitiert bzw. fehlinterpretiert worden sei. Das Veröffentlichen und Verbreiten der nicht genehmigten Fehlzitate verletzten das von Kohl-Richter wahrgenommene postmortale allgemeine Persönlichkeitsrecht ihres verstorbenen Mannes. Diese Zitate dürften nicht einmal sinngemäß wiedergegeben werden.

OLG muss Stimmigkeit weiterer Zitate nochmals prüfen

Die Zitate, die Kohl tatsächlich so gesagt habe, dürften dagegen weiterhin verwendet werden, selbst, wenn er dem widersprochen habe. Soweit keine Fehlzitate vorlägen, bestehe auch kein Unterlassungsanspruch. Als Verstorbener sei er hiervor nicht geschützt. Wegen weiterer Zitate müsse das OLG noch einmal prüfen, inwieweit diese richtig sind oder nicht. Der BGH verwies die Sache insoweit zurück.

Autoren:
Anna Kristina Bückmann
Quelle:
BVerfG, Urteile vom 29.11.2021, VI ZR 248/18 und VI ZR 258/18.