Mit Urteil vom 20. Oktober 2021 hat der für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs in Karlsruhe festgestellt, dass Verbrauchern, die außerhalb von Geschäftsräumen einen Vertrag über die Lieferung und Montage eines Kurventreppenliftes abschließen, für den eine passende Laufschiene angefertigt und in das Treppenhaus des Kunden eingepasst werden muss, ein Widerrufsrecht zusteht, über das sie zu informieren sind.
Verbraucherzentrale klagt gegen Treppenlift-Unternehmen
Das von der Verbraucherzentrale beklagte Unternehmen vertreibt Kurventreppenlifte mit Schienen, die individuell an die im Treppenhaus des Kunden zu befahrenen Kurven angepasst werden. Das Unternehmen teilte den Kunden bei Vertragsabschluss mit, dass ihnen kein gesetzliches Widerrufsrecht zustehe. Die Verbraucherzentrale ist gegenteiliger Ansicht und nahm das Unternehmen gerichtlich wegen eines Verstoßes gegen das Wettbewerbsrecht auf Unterlassung in Anspruch. In den Vorinstanzen war dies zunächst vergeblich. Auf ihre Revision hin hat der BGH das Urteil des Oberlandesgerichts aufgehoben und verurteilte das Unternehmen antragsgemäß, weil die Werbung des Unternehmens, es bestünde in den vorliegenden Fällen kein Widerrufsrecht des Verbrauchers, eine Erstbegehungsgefahr für einen Verstoß gegen Markverhaltensregelungen (§ 312 d Abs. 1 BGB, § 312 g Abs. 1 BGB und Art. 246 EGBGB) begründe.
Kunden sind über Widerrufsrecht zu informieren
Der BGH stützte seine Entscheidungen im Wesentlichen auf folgende Erwägungen: Bei Verträgen über die Lieferung und Montage von Treppenliften, die außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossen wurden, besteht entgegen der Ansicht des Unternehmens ein Widerrufsrecht des Kunden gemäß § 312 g Abs. 1 BGB. Darüber sei der Kunde gemäß Art. 246 a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB, § 312 d Abs. 1 S. 1 BGB auch zu informieren. Weil das beklagte Unternehmen damit geworben hatte, dass bei entsprechenden Verträgen kein Widerrufsrecht bestehe, begründe dies eine Erstbegehungsgefahr für einen Verstoß gegen die oben genannten Marktverhaltensregelungen (die Kunden über das Widerrufsrecht zu informieren), die den geltend gemachten Unterlassungsanspruch der Verbraucherzentrale rechtfertigen.
Individuell gefertigter Kurventreppenlift ist Bestandteil von Werkvertrag
Ein Widerrufsrecht sei auch nicht wegen § 312 g Abs. 2 Nr. 1 BGB ausgeschlossen. Danach besteht das Widerrufsrecht bei »Verträgen zur Lieferung von Waren« nicht. Solche Verträge sind nach richtlinienkonformer Auslegung nur Kauf- und Werklieferungsverträge, jedoch nicht Werkverträge. Bei dem vorliegenden Vertrag über einen Kurventreppenlift handelt es sich nach Auffassung des BGH nicht um einen Kauf- oder Werklieferungsvertrag, sondern um einen Werkvertrag. Dies ergebe sich aus einer wertenden Gesamtbetrachtung, auf welcher der Leistungen der Schwerpunkt liege, so die BGH-Richter. Bei der Bestellung eines Kurventreppenliftes, der durch eine individuell erstellte Laufschiene individuell auf die Wohnverhältnisse des Kunden zugeschnitten werde, stehe nämlich für den Kunden nicht die Übereignung, sondern dessen Einbau als funktionsfähige Einheit im Vordergrund, für dessen Lieferung die Einzelteile zwar einen notwendigen, aber untergeordneten Zwischenschritt darstellten. Letzterem gegenüber bildeten die Anpassung einer passenden Laufschiene, die Einpassung in das Treppenhaus des Kunden und der gesamte dafür notwendige Aufwand den Schwerpunkt der vertraglichen Leistungen des Unternehmens gegenüber der reinen Übereignung und Lieferung der Treppenlifte. Aus diesen Gründen sei die Ausnahmevorschrift des § 312 g Abs. 2 Nr. 1 BGB nicht einschlägig und Verbrauchern stehe ein Widerrufsrecht zu.