RICHARD BOORBERG VERLAG

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14.08.2019

  

Widerruf des Kaufvertragsabschlusses an einem Messestand?

  

Der Bundesgerichtshof hatte sich mit der Frage zu befassen, ob der an einem Messestand eines Unternehmens geschlossene Kaufvertrag – wie bei einem Kaufvertragsabschluss im Ladengeschäft des Unternehmers – nicht widerrufen werden kann.

Hintergrund

Wer im Versandhandel oder im Internet Waren kauft, kann – von einigen gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – grundsätzlich einen solchen Kaufvertrag frei widerrufen (§ 312 g BGB). Für den Widerruf gilt eine Frist von 14 Tagen ab Erhalt der Ware; eine Begründung für den Widerruf ist nicht erforderlich. Ein vergleichbares Widerrufsrecht besteht bei einem Kauf in einem Ladenlokal vor Ort nicht.

Dieses Widerrufsrecht besteht außerdem bei Verträgen, die der Verbraucher mit dem Unternehmer oder Händler »außerhalb dessen Geschäftsräumen« schließt (§ 312 b BGB). Hierunter fallen z. B. Partyverkäufe eines Unternehmers in der Wohnung eines Verbrauchers, ein Vertragsabschluss in einem Seniorenheim oder anlässlich einer Modenschau; all diese Situationen sind Käufe »außerhalb des Geschäftsraums« des Händlers und daher widerrufbar.

Der Bundesgerichtshof hatte sich in diesem Zusammenhang mit der Frage zu befassen, ob es sich bei einem Kaufvertragsabschluss an einem Messestand um einen Kauf außerhalb des Geschäftsraums handelt – dann wäre ein Widerruf möglich – oder ob es sich hierbei um einen (zeitweiligen) Geschäftsraum handelt, vergleichbar einem Ladengeschäft – dann wäre ein Widerruf ausgeschlossen.

Der Sachverhalt

Ein Händler vertrieb gewerblich Einbauküchen. Auf der alle zwei Jahre stattfindenden »Messe Rosenheim« schloss der Händler mit einem privaten Kunden (Verbraucher) an seinem Stand einen schriftlichen Kaufvertrag über eine Einbauküche (Modell XY) zum Gesamtpreis von 10 600 €. Eine Widerrufsbelehrung enthielt der Kaufvertrag nicht.

Noch am selben Tag widerrief der Käufer seine auf den Vertragsabschluss gerichtete Willenserklärung. Der Händler wollte den Widerruf nicht akzeptieren, da es sich um einen Kauf in einem »beweglichen Gewerberaum des Händlers« gehandelt habe, sodass das gesetzliche Widerrufsrecht nicht eingreife.

Der Bundesgerichtshof teilte die Einschätzung des Händlers und hielt den Kaufvertragsabschluss für bindend.

Vertragsabschluss außerhalb der Geschäftsräume

Nach den gesetzlichen Regelungen steht dem Verbraucher bei einem mit einem Unternehmer außerhalb dessen Geschäftsräumen geschlossenen Vertrag ein Widerrufsrecht zu. Außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge sind solche, die bei gleichzeitiger Anwesenheit des Verbrauchers und des Unternehmers an einem Ort geschlossen werden, der kein Geschäftsraum des Unternehmers ist. Solche Gewerberäume können auch bewegliche Gewerberäume seien, in denen der Unternehmer seine Tätigkeit für gewöhnlich ausübt.

Der Bundesgerichtshof beurteilte die Frage, ob ein Messestand in vorliegendem Fall unter dem Begriff »Geschäftsräume « falle, nach dem konkreten Erscheinungsbild des Messestands aus Sicht der Öffentlichkeit und wie er sich in den Augen eines Durchschnittsverbrauchers darstellt, also ob er damit rechnen kann, dass er dort zu kommerziellen Zwecken angesprochen wird.

Insgesamt kam das Gericht zu der Überzeugung, dass im vorliegenden Fall der auf der »Messe Rosenheim« betriebene Messestand des Möbelhändlers ein beweglicher Gewerberaum war, an dem dieser seine Geschäfte für gewöhnlich ausübte; somit stehe dem Käufer hier kein Widerrufsrecht zu, da der Kaufvertrag nicht außerhalb eines Geschäftsraums geschlossen worden sei.

Entscheidend sei, dass es sich bei der »Messe Rosenheim« für jeden Verbraucher klar erkennbar um eine klassische Verkaufsmesse handelte, bei dem das Publikum in 14 Ausstellungshallen mit 19 unterschiedlichen Branchen und deren Kaufangeboten in Kontakt treten konnte. Angesichts des offensichtlichen Verkaufscharakters der Messe und der umfassenden Produktpalette, die dort angeboten worden war, habe ein Angebot des Möbelhändlers zum Kauf einer Einbauküche für den Käufer nicht überraschend sein können; zumindest wurde er von einem entsprechenden Angebot nicht überrumpelt. Etwas anderes könnte auf einer reinen Informationsmesse gelten. Daher handelte es sich um einen Kauf vergleichbar dem Kauf in den Verkaufsräumen des Möbelhändlers, sodass dem Käufer kein Widerrufsrecht zustand.

Anmerkung:

Der Entscheidung des Bundesgerichtshofs kann nach der Begründung nicht entnommen werden, dass ein Kaufvertragsabschluss an einem Messestand stets unmittelbar gilt und keinesfalls ein Widerrufsrecht bestehen kann. Vielmehr ist der jeweilige Einzelfall eingehend zu bewerten. Insbesondere ist der Charakter der Messe (Verkaufsmesse) zu berücksichtigen. In einer Messehalle mit Küchenmöbeln ist es jedenfalls nicht überraschend, ein Angebot für eine Einbauküche zu erhalten.

Klaus Krohn
Quelle:
Urteil des Bundesgerichtshofs vom 10. 04. 2019 – VIII ZR 82/17