RICHARD BOORBERG VERLAG

×

24.02.2022

  

Was die Ampel-Koalition im Hinblick auf die Wirtschaft plant (Teil 1)

  

Die Ampelkoalition hat Ende November den 177 Seiten umfassenden Koalitionsvertrag unter dem Titel „Mehr Fortschritt wagen – Bündnis für Freiheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit“ vorgelegt. Wir haben die wesentlichen gemeinsamen Absichtserklärungen von SPD, Grünen und FDP, die sich auf den Alltag von kleinen und mittleren Unternehmen auswirken können, für Sie zusammengeführt. Der folgende Beitrag ist eine Zusammenstellung von Original-Textauszügen

Planungs- und Genehmigungsbeschleunigung

Um Deutschland zügig zu modernisieren sind schnelle Verwaltungs-, Planungs- und Genehmigungsverfahren zentrale Voraussetzung. Daher sollen im ersten Jahr der Regierung alle notwendigen Entscheidungen getroffen und durchgesetzt werden, um private wie staatliche Investitionen schnell, effizient und zielsicher umsetzen zu können. Ziel ist es, die Verfahrensdauer mindestens zu halbieren. Dafür müssen Staat und Gesellschaft sowie Bund, Länder und Kommunen an einem Strang ziehen. Wir wollen eine auf Rechtssicherheit und gegenseitigem Vertrauen fußende Planungskultur in Deutschland verwirklichen. Alle staatlichen Stellen sollen Verwaltungsverfahren so vereinfachen und verbessern, dass gerichtliche Auseinandersetzungen möglichst vermieden werden. Wir werden mehr Möglichkeiten im Rahmen des Verfassungs- und Unionsrechts ausnutzen.

Wir werden die personellen und technischen Kapazitäten bei Behörden und Gerichten erhöhen. Für eine Personal- und Weiterbildungsoffensive sowie die Digitalisierung auf allen Ebenen streben wir einen verlässlichen und nachhaltigen Pakt für Planungs-, Genehmigungs- und Umsetzungsbeschleunigung mit den Ländern an. (...) Für Angelegenheiten des Planungsrechts schaffen wir die Voraussetzungen für zusätzliche Senate am Bundesverwaltungsgericht. Die Bundesregierung verstärkt ihre Kompetenz zur Unterstützung dialogischer Bürgerbeteiligungsverfahren. Die Digitalisierung von Planungs- und Genehmigungsprozessen werden wir priorisiert umsetzen. Wir werden Behörden mit notwendiger Technik ausstatten, IT-Schnittstellen zwischen Bund und Ländern standardisieren und das digitale Portal für Umweltdaten zu einem öffentlich nutzbaren Archiv für Kartierungs- und Artendaten ausbauen. Bereits erhobene Daten sind, ggf. durch Plausibilisierungen, möglichst lange nutzbar zu machen. Planungsprozesse werden mit Gebäudedatenmodellierung (Building Information Modeling) effizienter, kostengünstiger und transparenter gestaltet. Die digitalen Möglichkeiten des Planungssicherstellungsgesetzes werden wir nahtlos fortsetzen und insbesondere im Hinblick auf die Bürgerbeteiligung weiterentwickeln.

Wir werden eine engere Verzahnung zwischen Raumordnungs- und Planfeststellungsverfahren ermöglichen, um Doppelprüfungen zu vermeiden. Wir wollen das Instrument der Plangenehmigung, insbesondere bei Unterhaltungs-, Sanierungs-, Erneuerungs-, Ersatzund Ergänzungsmaßnahmen im unmittelbaren räumlichen Zusammenhang mit existierenden Infrastrukturen innerhalb des europäischen Rechtsrahmens stärker nutzbar machen. (...)

Nutzung von Daten und Datenrecht

Die Potenziale von Daten für alle heben wir, indem wir den Aufbau von Dateninfrastrukturen unterstützen und Instrumente wie Datentreuhänder, Datendrehscheiben und Datenspenden gemeinsam mit Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft auf den Weg bringen. Wir streben einen besseren Zugang zu Daten an, insbesondere um Start-ups sowie KMU neue innovative Geschäftsmodelle und soziale Innovationen in der Digitalisierung zu ermöglichen. (...) Wir fördern Anonymisierungstechniken, schaffen Rechtssicherheit durch Standards und führen die Strafbarkeit rechtswidriger De-anonymisierung ein. Wir führen einen Rechtsanspruch auf Open Data ein und verbessern die Datenexpertise öffentlicher Stellen. Die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) ist eine gute internationale Standardsetzung. (...)

Zukunftsstrategie Forschung

Für die Lösungen der großen gesellschaftlichen Herausforderungen benötigen wir eine starke Wissenschafts- und Forschungspolitik. Die Entwicklung eines erfolgreichen Impfstoffes gegen SarsCoV2 in Deutschland zeigt: Wir können unser Innovationspotenzial heben, wenn wir unsere Ressourcen effektiv bündeln und einsetzen. An diesen Erfolg wollen wir anknüpfen, indem wir Programmlinien, Hightech-Strategie und Ressortforschungen missionsorientiert weiterentwickeln. Ergebnisse werden wir dabei an internationalen Zielkategorien messen und die Forschungsprojekte übergreifend vernetzen. Gewagte Forschungsideen finden in der Zukunftsstrategie Platz. (...) Zentrale Zukunftsfelder sind unter anderem: Erstens: Moderne Technologien für eine wettbewerbsfähige und klimaneutrale Industrie (wie Stahl- und Grundstoffindustrie) in Deutschland. Sicherstellung sauberer Energiegewinnung und -versorgung sowie die nachhaltige Mobilität der Zukunft. Zweitens: Klima, Klimafolgen, Biodiversität, Nachhaltigkeit, Erdsystem und entsprechende Anpassungsstrategien sowie nachhaltiges Landwirtschafts- und Ernährungssystem. Drittens: ein vorsorgendes, krisenfestes und modernes Gesundheitssystem, welches die Chancen biotechnologischer und medizinischer Verfahren nutzt, und das altersabhängige Erkrankungen sowie seltene oder armutsbedingte Krankheiten bekämpft. Viertens: technologische Souveränität und die Potenziale der Digitalisierung, z.B. in Künstlicher Intelligenz und Quantentechnologie, für datenbasierte Lösungen quer durch alle Sektoren. Fünftens: Erforschung von Weltraum und Meeren und Schaffung nachhaltiger Nutzungsmöglichkeiten. Sechstens: gesellschaftliche Resilienz, Geschlechtergerechtigkeit, Zusammenhalt, Demokratie und Frieden.

Innovationen und Transfer

Mit einer modernen Förderpolitik sorgen wir für einen erfolgreichen Aufbruch in ein Innovationsjahrzehnt. Mehr Innovationen stärken den Wirtschaftsstandort Deutschland ebenso wie die gesamtgesellschaftliche Entwicklung. Die Stärke unserer Innovationskraft liegt in den Regionen, denn viele neue Ideen entstehen vor Ort, wo innovativ an den Lösungen der Zukunft gearbeitet wird. Unser Ziel ist die Stärkung von anwendungsorientierter Forschung und dem Transfer zur Schaffung und Stärkung regionaler sowie überregionaler Innovationsökosysteme.

Mittelstand, Handwerk und Freie Berufe

Unsere Wirtschaftspolitik setzt auf zukunftsorientierte Rahmenbedingungen für einen wettbewerbsfähigen Mittelstand, für ein starkes Handwerk und für Freie Berufe. Hierfür werden wir die Beteiligungsmöglichkeiten von kleinen und mittleren Betrieben an Vergabeverfahren stärken. Förderprogramme und Investitionszuschüsse sollen vor allem für kleine und mittlere Unternehmen und Selbstständige deutlich einfacher zu beantragen und zu dokumentieren sein. Dafür werden wir sie digitalisieren, evaluieren und bedarfsgerecht ausgestalten.

Zur Fachkräftesicherung im Handwerk werden wir das Duale System der beruflichen Ausbildung stärken und den Übergang von der Schule in die berufliche Bildung verbessern und im Rahmen eines Ausbildungspakts Ausbildungsbotschafterinnen und -botschafter fördern. Zudem wollen wir die Durchlässigkeit von beruflicher und akademischer Bildung verbessern. Die Ausbildung im Handwerk werden wir gezielt fördern. Zusätzlich wollen wir eine Begabtenförderung in der beruflichen Bildung einführen.

Wir wollen den Zugang zur Meisterausbildung erleichtern, indem wir die Kosten von Meisterkursen und -briefen für die Teilnehmer deutlich senken. Im Ausbildungsmarkt wollen wir Menschen mit Migrationsgeschichte mit einer Förderinitiative stärken. Frauen im Handwerk werden wir stärken. Die Tarifbindung im Handwerk und Mittelstand wollen wir stärken. Wir wollen ehrenamtliche Beteiligungen und die Transparenz im Kammerwesen im Dialog mit den Sozialpartnern stärken.

Start-up-, Gründungs- und Innovationsförderung

Wir stärken die Start-up- und Gründerförderung. Wir werden Gründungen aus allen Lebenslagen und eine Kultur der zweiten Chance unterstützen und dafür ein neues Förderinstrument schaffen, das auch für Unternehmensnachfolgen offensteht. Wir verabschieden eine umfassende Start-up- Strategie. Hürden für Frauen und Menschen mit Migrationshintergrund beim Zugang zu Finanzierungen und Förderungen bauen wir ab; besseren Zugang zu Wagniskapital für Gründerinnen stellen wir sicher. Wir ermöglichen einen vereinfachten, rechtssicheren Zugang für Startups und junge Unternehmen zu öffentlichen Aufträgen. Wir schaffen die Voraussetzungen für flächendeckende „One Stop Shops“, also Anlaufstellen für Gründungsberatung, -förderung und -anmeldung.

Ziel ist es, Unternehmensgründungen innerhalb von 24 Stunden zu ermöglichen. Die staatliche Förderbank KfW soll stärker als Innovations- und Investitionsagentur sowie als Co-Wagniskapitalgeber wirken, insbesondere für KI, Quantentechnologie, Wasserstoff, Medizin, nachhaltige Mobilität, Bioökonomie und Kreislaufwirtschaft. Wir wollen ermöglichen, dass privates Kapital institutioneller Anleger, wie Versicherungen und Pensionskassen, für die Startup-Finanzierung mobilisiert werden kann. Wir wollen die Beteiligung von Frauen in Investment-Komitees von staatlichen Fonds und Beteiligungsgesellschaften deutlich stärken.

Die Mitarbeiterkapitalbeteiligung werden wir attraktiver machen, u.a. durch eine weitere Anhebung des Steuerfreibetrags. Zu einer modernen Unternehmenskultur gehören auch neue Formen wie Sozialunternehmen oder Gesellschaften mit gebundenem Vermögen. Wir erarbeiten eine nationale Strategie für Sozialunternehmen, um gemeinwohlorientierte Unternehmen und soziale Innovationen stärker zu unterstützen. Wir verbessern die rechtlichen Rahmenbedingungen für gemeinwohlorientiertes Wirtschaften, wie zum Beispiel für Genossenschaften, Sozialunternehmen, Integrationsunternehmen. Für Unternehmen mit gebundenem Vermögen wollen wir eine neue geeignete Rechtsgrundlage schaffen, die Steuersparkonstruktionen ausschließt. Hemmnisse beim Zugang zu Finanzierung und Förderung bauen wir ab. Wir werden die rechtlichen Rahmenbedingungen schaffen, um Guthaben auf verwaisten Konten zur Förderung des Gemeinwohls nutzen zu können.

(Wird fortgesetzt.)

RDW-Redaktion