RICHARD BOORBERG VERLAG

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30.05.2022

  

Was die Ampel-Koalition beim Thema Energie plant (Teil 5)

  

177 Seiten umfasst der Koalitionsvertrag, den die rot-grün-gelbe Ampelkoalition unter dem Titel „Mehr Fortschritt wagen – Bündnis für Freiheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit“ vorgelegt hat. Wir haben die wesentlichen Absichtserklärungen von SPD, Grünen und FDP, die sich auf den Alltag von kleinen und mittleren Unternehmen auswirken können, für Sie zusammengeführt. Der folgende Beitrag ist eine Zusammenstellung von Original-Textauszügen (Teil 5: Seite 54–62). Fortsetzung des Beitrags aus RdW Kurzreport, Heft 8/2022, S. 366, Nr. 122.

Klimaschutzgesetz

Wir werden das Klimaschutzgesetz noch im Jahr 2022 konsequent weiterentwickeln und ein Klimaschutz-Sofortprogramm mit allen notwendigen Gesetzen, Verordnungen und Maßnahmen auf den Weg bringen. Wir werden Klimaschutz zu einer Querschnittsaufgabe machen, indem das jeweils federführende Ressort seine Gesetzentwürfe auf ihre Klimawirkung und die Vereinbarkeit mit den nationalen Klimaschutzzielen hin prüft und mit einer entsprechenden Begründung versieht (Klimacheck).

Alle Sektoren werden einen Beitrag leisten müssen: Verkehr, Bauen und Wohnen, Stromerzeugung, Industrie und Landwirtschaft. Die Einhaltung der Klimaziele werden wir anhand einer sektorübergreifenden und analog zum Pariser Klimaabkommen mehrjährigen Gesamtrechnung überprüfen. Basis dafür ist das jährliche Monitoring.

Erneuerbare Energien

(...) Wir richten unser Erneuerbaren-Ziel auf einen höheren Bruttostrombedarf von 680– 750 TWh im Jahr 2030 aus. Davon sollen 80 Prozent aus Erneuerbaren Energien stammen. Entsprechend beschleunigen wir den Netzausbau. Die jährlichen Ausschreibungsmengen passen wir dynamisch an.

Wir benötigen einen Instrumentenmix, um den massiven Ausbau zu erreichen: Neben dem EEG werden wir Instrumente für den förderfreien Zubau, wie z.B. langfristige Stromlieferverträge (PPA) und den europaweiten Handel mit Herkunftsnachweisen im Sinne des Klimaschutzes stärken.

Den dezentralen Ausbau der Erneuerbaren Energien wollen wir stärken. Erneuerbarer Strom, insbesondere aus ausgeförderten Anlagen und Anlagen außerhalb der EEG-Förderung soll stärker in der Erzeugerregion genutzt werden können. Dafür werden wir alle notwendigen Regelungen überprüfen. Grün erzeugter Strom muss in der Erzeugerregion auch als grüner Strom genutzt werden dürfen.

Wir werden Planungs- und Genehmigungsverfahren erheblich beschleunigen. Die Erneuerbaren Energien liegen im öffentlichen Interesse und dienen der Versorgungssicherheit. Bei der Schutzgüterabwägung setzen wir uns dafür ein, dass es einen zeitlich bis zum Erreichen der Klimaneutralität befristeten Vorrang für Erneuerbare Energien gibt. Wir schaffen Rechtssicherheit im Artenschutzrecht, u.a. durch die Anwendung einer bundeseinheitlichen Bewertungsmethode bei der Artenschutzprüfung von Windenergievorhaben. (...)

Wir setzen uns dafür ein, dass die Zulassungsbehörden durch den Einsatz externer Projektteams wirksam entlastet werden. Der zeitliche Beginn der gesetzlichen Genehmigungsfristen soll durch klare Anforderungen an die Antragsunterlagen gesichert werden. Auch soll eine Klarstellung der Umsetzungsfristen für Genehmigungen vorgenommen werden.

Alle geeigneten Dachflächen sollen künftig für die Solarenergie genutzt werden. Bei gewerblichen Neubauten soll dies verpflichtend, bei privaten Neubauten soll es die Regel werden. Bürokratische Hürden werden wir abbauen und Wege eröffnen, um private Bauherren finanziell und administrativ nicht zu überfordern. Wir sehen darin auch ein Konjunkturprogramm für Mittelstand und Handwerk.

Unser Ziel für den Ausbau der Photovoltaik (PV) sind ca. 200 GW bis 2030. Dazu beseitigen wir alle Hemmnisse, u.a. werden wir Netzanschlüsse und die Zertifizierung beschleunigen, Vergütungssätze anpassen, die Ausschreibungspflicht für große Dachanlagen und die Deckel prüfen. Auch innovative Solarenergie wie Agri- und Floating-PV werden wir stärken und die Ko-Nutzung ermöglichen.

Für die Windenergie an Land sollen zwei Prozent der Landesflächen ausgewiesen werden. Die nähere Ausgestaltung des Flächenziels erfolgt im Baugesetzbuch. Wir stärken den Bund-Länder- Kooperationsausschuss.

Wir werden noch im ersten Halbjahr 2022 gemeinsam mit Bund, Ländern und Kommunen alle notwendigen Maßnahmen anstoßen, um das gemeinsame Ziel eines beschleunigten Erneuerbaren- Ausbaus und die Bereitstellung der dafür notwendigen Flächen zu organisieren. (...)

Die Kapazitäten für Windenergie auf See werden wir auf mindestens 30 GW 2030, 40 GW 2035 und 70 GW 2045 erheblich steigern. Dazu werden wir entsprechende Flächen in der Außenwirtschaftszone sichern. Offshore- Anlagen sollen Priorität gegenüber anderen Nutzungsformen genießen. Auch in der Ko- Nutzung sehen wir eine Möglichkeit für einen besseren Interessenausgleich. Wir treiben europäische Offshore-Kooperationen weiter voran und stärken grenzüberschreitende Projekte in Nord- und Ostsee. (...)

Die Bioenergie in Deutschland soll eine neue Zukunft haben. Dazu werden wir eine nachhaltige Biomasse-Strategie erarbeiten. Wir wollen das Potenzial der Geothermie für die Energieversorgung, u.a. durch Verbesserung der Datenlagen und Prüfung einer Fündigkeitsrisikoversicherung, stärker nutzen. Wir wollen dafür sorgen, dass Kommunen von Windenergieanlagen und größeren Freiflächen- Solaranlagen auf ihrem Gebiet finanziell angemessen profitieren können. (...) Wir werden uns für eine flächendeckende kommunale Wärmeplanung und den Ausbau der Wärmenetze einsetzen. Wir streben einen sehr hohen Anteil Erneuerbarer Energien bei der Wärme an und wollen bis 2030 50 Prozent der Wärme klimaneutral erzeugen. (...)

Kohleausstieg

Zur Einhaltung der Klimaschutzziele ist auch ein beschleunigter Ausstieg aus der Kohleverstromung nötig. Idealerweise gelingt das schon bis 2030. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, das verschärfte 2030- Klimaziel sowie die kommende und von uns unterstützte Verschärfung des EU- Emissionshandels schränken die Spielräume zunehmend ein. Das verlangt den von uns angestrebten massiven Ausbau der Erneuerbaren Energien und die Errichtung moderner Gaskraftwerke, um den im Laufe der nächsten Jahre steigenden Strom- und Energiebedarf zu wettbewerbsfähigen Preisen zu decken. Dafür werden wir den für 2026 im Kohleausstiegsgesetz vorgesehenen Überprüfungsschritt bis spätestens Ende 2022 analog zum Gesetz vornehmen.

Die bis zur Versorgungssicherheit durch Erneuerbare Energien notwendigen Gaskraftwerke sollen zur Nutzung der vorhandenen (Netz-)Infrastrukturen und zur Sicherung von Zukunftsperspektiven auch an bisherigen Kraftwerksstandorten gebaut werden. Sie müssen so gebaut werden, dass sie auf klimaneutrale Gase (H2-ready) umgestellt werden können. (...)

Gas und Wasserstoff

Eine Energieinfrastruktur für erneuerbaren Strom und Wasserstoff ist eine Voraussetzung für die europäische Handlungsfähigkeit und Wettbewerbsfähigkeit im 21. Jahrhundert. Wir wollen die Energieversorgung für Deutschland und Europa diversifizieren. (...)

Wir beschleunigen den massiven Ausbau der Erneuerbaren Energien und die Errichtung moderner Gaskraftwerke, um den im Laufe der nächsten Jahre steigenden Strom- und Energiebedarf zu wettbewerbsfähigen Preisen zu decken. Die bis zur Versorgungssicherheit durch Erneuerbare Energien notwendigen Gaskraftwerke müssen so gebaut werden, dass sie auf klimaneutrale Gase (H2- ready) umgestellt werden können. Erdgas ist für eine Übergangszeit unverzichtbar.

Die Wasserstoffstrategie wird 2022 fortgeschrieben. Ziel ist ein schneller Markthochlauf. Erste Priorität hat die einheimische Erzeugung auf Basis Erneuerbarer Energien. Für einen schnellen Hochlauf und bis zu einer günstigen Versorgung mit grünem Wasserstoff setzen wir auf eine technologieoffene Ausgestaltung der Wasserstoffregulatorik.

Wir wollen den Aufbau einer leistungsfähigen Wasserstoffwirtschaft und die dafür notwendige Import- und Transportinfrastruktur möglichst schnell vorantreiben. Wir wollen eine Elektrolysekapazität von rund 10 Gigawatt im Jahr 2030 erreichen. Dies werden wir u.a. durch den Zubau von Offshore- Windenergie sowie europäische und internationale Energiepartnerschaften sicherstellen. Dazu ist ein engagierter Aufbau der notwendigen Infrastruktur erforderlich. Dafür werden wir die notwendigen Rahmenbedingungen einschließlich effizient gestalteter Förderprogramme schaffen und insbesondere auch die europäische Zusammenarbeit in diesem Bereich stärken.

Wir werden die novellierte Erneuerbare-Energien- Richtlinie nach Verabschiedung möglichst technologieoffen und ambitioniert umsetzen; dabei schließen wir Atomkraft weiterhin aus. (...)

Netze

Strom- und Wasserstoffnetze sind das Rückgrat des Energiesystems der Zukunft. Für den massiven Ausbau der Erneuerbaren Energien brauchen wir mehr Tempo und Verbindlichkeit beim Netzausbau auf allen Ebenen. Netzinfrastrukturen wollen wir in Zukunft auf allen politischen Ebenen stärker gemeinsam und vorausschauend planen. Dazu werden wir Bundesnetzagentur und Netzbetreiber umgehend beauftragen, einen über die aktuellen Netzentwicklungsplanungen hinausgehenden Plan für ein Klimaneutralitätsnetz zu berechnen und den Bundesbedarfsplan entsprechend fortschreiben. Besonderes Augenmerk muss bei allen Maßnahmen auf den Stromautobahnen liegen.

(...) Wir werden die Planungs- und Genehmigungsverfahren für eine schnellere Planung und Realisierung von Strom- und Wasserstoffnetzen beschleunigen. Wir gewährleisten eine klare Zuordnung der politischen Verantwortung für gute frühzeitige Bürgerbeteiligung beim Netzausbau. Wir legen bis Mitte 2023 eine „Roadmap Systemstabilität“ vor. Wir werden die Verteilnetze modernisieren und digitalisieren, u.a. durch eine vorausschauende Planung und mehr Steuerbarkeit. Den Rollout intelligenter Messsysteme als Voraussetzung für Smart Grids werden wir unter Gewährleistung des Datenschutzes und der IT-Sicherheit erheblich beschleunigen. Wir werden Speicher als eigenständige Säule des Energiesystems rechtlich definieren. (...) Wir werden im Einklang mit europäischem Recht den staatlichen Einfluss auf kritische Infrastruktur sicherstellen, wenn Sicherheitsinteressen berührt sind.

Sozial gerechte Energiepreise

(...)

Ziel ist es, Steuerbegünstigungen abzubauen, die sich auf die wirtschaftliche Nutzung von Strom beziehen und dabei die Entlastung durch den Wegfall der EEG-Umlage zu berücksichtigen. Die Unternehmen sollen dadurch insgesamt nicht mehr belastet werden.

Wir wollen den europäischen Emissionshandel und das Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG) im Sinne des EU-Programms „Fit for 55“ überarbeiten. Wir setzen auf einen steigenden CO2-Preis als wichtiges Instrument (...)

Daher unterstützen wir die Pläne der Europäischen Kommission zur Stärkung des bestehenden Emissionshandels und setzen uns für eine ambitionierte Reform ein. Wir setzen uns insbesondere auf europäischer Ebene für einen ETS-Mindestpreis sowie für die Schaffung eines zweiten Emissionshandels für die Bereiche Wärme und Mobilität (ETS 2) ein. Dabei ist vorzusehen, dass in den jeweiligen EU-Mitgliedstaaten ein sozialer Ausgleich stattfindet. In den 2030er Jahren soll es ein einheitliches EU-Emissionshandelssystem über alle Sektoren geben, das Belastungen nicht einseitig zulasten der Verbraucherinnen und Verbraucher verschiebt.

Transformation der Wirtschaft

Wir wollen die Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandortes Deutschland als Grundlage für nachhaltiges Wachstum, Wohlstand und hohe Beschäftigung in einer sozial-ökologischen Marktwirtschaft erhöhen. Wir werden Unternehmen und Beschäftigte bestmöglich unterstützen, Innovation fördern und neues Zutrauen in Gründergeist, Innovation und Unternehmertum schaffen. Wir müssen die Klimakrise gemeinsam bewältigen. Darin liegen auch große Chancen für unser Land und den Industriestandort Deutschland: Neue Geschäftsmodelle und Technologien können klimaneutralen Wohlstand und gute Arbeit schaffen.

Wir sehen den Weg zur CO2-neutralen Welt als große Chance für den Industriestandort Deutschland. Neue Geschäftsmodelle und Technologien können klimaneutralen Wohlstand und gute Arbeit schaffen, wenn wir die richtigen Rahmenbedingungen für Industrie und Mittelstand wie einen massiven Ausbau Erneuerbarer Energien, wettbewerbsfähige Energiepreise, Versorgungssicherheit mit Strom und Wärme sowie schnelle und unbürokratische Genehmigungsverfahren sicherstellen. (…)

Um die Unternehmen bei ihren Investitionen auf dem Weg zur Klimaneutralität zu unterstützen, setzen wir auf zielgerichtete Instrumente. Dazu legen wir u.a. einen Transformationsfonds bei der KfW auf (…). Wir werden auch die Kleinen und Mittleren Unternehmen bei ihrem Weg zur klimatechnologischen Transformation begleiten und fördern. (…) Bei der Novellierung der europäischen Klima-, Umwelt- und Energiebeihilfeleitlinien und anderer Regelungen werden wir darauf achten, dass die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen gewahrt bleibt. (…)

Wir werden im Dialog mit den Unternehmen Lösungen suchen, wie wir Betriebsgenehmigungen für Energieinfrastruktur (Kraftwerke oder Gasleitungen) mit fossilen Brennstoffen rechtssicher so erteilen können, dass der Betrieb über das Jahr 2045 hinaus nur mit nichtfossilen Brennstoffen fortgesetzt werden kann, ohne einen Investitionsstopp, Fehlinvestitionen und Entschädigungsansprüche auszulösen.

Atom

In den internationalen Bemühungen zur Erreichung der Klimaneutralität bekennt sich Deutschland eindeutig zum Ausbau und zur Nutzung der Erneuerbaren Energien. Wir setzen uns auf internationaler und europäischer Ebene dafür ein, dass die Atomenergie für die von ihr verursachten Kosten selbst aufkommt. Wir stellen uns der Verantwortung für die radioaktiven Abfälle. (…)

Genehmigte Endlager müssen zügig fertiggestellt und in Betrieb genommen werden. Hierzu gehören auch die Standortauswahl und die Errichtung des notwendigen Logistikzentrums. Wir werden uns für eine Abschaltung der grenznahen Risikoreaktoren einsetzen. Wir sprechen uns dafür aus, Kompetenzen in diesem Bereich zu bündeln.

(Wird fortgesetzt.)

RdW-Redaktion