RICHARD BOORBERG VERLAG

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02.12.2022

   

Was die Ampel-Koalition bei den Themen Investitionen, Bleiberecht und regionalen Beziehungen plant (Teil 10)

  

Unter dem Titel „Mehr Fortschritt wagen – Bündnis für Freiheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit“ hat die rot-grün-gelbe Ampelkoalition einen 177 Seiten umfassenden Koalitionsvertrag vorgelegt. Wir haben die wesentlichen Absichtserklärungen von SPD, Grünen und FDP, die sich auf den Alltag von kleinen und mittleren Unternehmen auswirken können, für Sie zusammengeführt. Der folgende Beitrag ist eine Zusammenstellung von Original-Textauszügen (Teil 10: Seite 133–154). Fortsetzung des Beitrags aus RdW-Kurzreport Heft 20, S. 942, Rn. 325.

Investitionen

Eine europäische digitale Infrastruktur, ein gemeinsames Eisenbahnnetz, eine Energieinfrastruktur für erneuerbaren Strom und Wasserstoff sowie Forschung und Entwicklung auf dem Niveau der Weltspitze sind Voraussetzungen für die europäische Handlungsfähigkeit und Wettbewerbsfähigkeit.

Soziales Europa

Wir wollen die Menschen darin unterstützen, die immensen Herausforderungen der bevorstehenden Transformation und den Wandel selbstbestimmt zu gestalten. Wir wollen EU-weit die soziale Aufwärtskonvergenz befördern, den Binnenmarkt vervollständigen, die Säule sozialer Rechte umsetzen und soziale Ungleichheiten bekämpfen. Hierzu werden wir auch die europäischen Koordinierungsprozesse wie das Europäische Semester, nutzen. Tarifautonomie, Tarifpartner und Tarifbindung sowie die sozialen Sicherungssysteme in der EU und den Mitgliedstaten wollen wir vertragsgemäß stärken. Wir wollen demokratische Mitbestimmung auf europäischer Ebene und europäische Betriebsräte fördern und wirkungsvoll weiterentwickeln. Auch bei grenzüberschreitenden Umwandlungen, Verschmelzungen und Spaltungen von Gesellschaften müssen nationale Beteiligungsrechte respektiert und gesichert werden. Der Europäische Sozialfonds ist ein wichtiges Instrument, um soziale Inklusion zu fördern. Wo nötig, müssen bürokratische Hürden abgebaut werden. Wir wollen Kinderarmut bekämpfen und einen Schwerpunkt auf die Chancen und Teilhabe von Kindern und Jugendlichen legen.

Unser Ziel ist die Verringerung der Lohnungleichheit zwischen Frauen und Männern Maßnahme die EU-Richtlinie für Lohntransparenz. Eine ehrgeizige Ausgestaltung muss die Situation möglichst vieler Frauen erfassen, bürokratiearm und mittelstandskonform umgesetzt werden und ein nach Betriebsgrößen und Leistung gestaffeltes Berichtssystem vorsehen. Wir setzen uns für eine Ausgestaltung ein, die Deutschland nicht zur Einführung eines Verbandsklagerechts zwingt, sondern ermöglicht, dass wir Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern die Durchsetzung ihrer individuellen Arbeitnehmerrechte durch Verbände im Wege der Prozessstandschaft ermöglichen.

Krisenfestes Europa

Wir setzen uns für einen starken EU-Katastrophenschutz, gemeinsame Beschaffung, Koordinierung der Produktion kritischer Güter sowie die Reduktion kritischer Importprodukte ein. Um die EU- Gesundheitsbehörden krisenfest zu machen, statten wir diese mit den erforderlichen Kompetenzen und Ressourcen aus. Die Potenziale des Europäischen Gesundheitsdatenraumes sollen bei Wahrung von Datenschutz und Patientensouveränität erschlossen und der Kampf gegen Antibiotikaresistenz verstärkt werden.

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Europäische Freizügigkeit

Die Freizügigkeit gehört zu den zentralen Errungenschaften der EU. Sie zu verteidigen und fair zu gestalten, ist uns wichtig. Die Integrität des Schengenraums wollen wir wiederherstellen und Ausnahmeregelungen restriktiver und nicht ohne Konsultationen unserer europäischen Partner nutzen. Bei zukünftigen Erweiterungen des Schengenraums wollen wir neben den bestehenden Sicherheitskriterien auch besonderes Augenmerk auf die Einhaltung von Rechtsstaatlichkeit und humanitäre Standards legen. Wir wollen die Bildungsfreizügigkeit in der EU stärken. Wir brauchen einen Digitalisierungsschub zum Abbau von Bürokratie, zur einfachen Handhabung von Freizügigkeit, schnelleren Geltendmachung bestehender Ansprüche sowie zur Erleichterung des Kampfs gegen Betrug und Missbrauch. Daher unterstützen wir einen neuen Anlauf zur Einführung einer Europäischen Sozialversicherungsnummer, auch um die Geltendmachung bestehender Portabilitätsansprüche zu erleichtern.

In den Mitgliedstaaten haben sich insbesondere bei freien Berufen unterschiedliche Systeme von Leistungserbringung, Selbstverwaltung und Selbstkontrolle herausgebildet. Diese Unterschiede gilt es bei Rechtsakten der EU zu berücksichtigen. Wir wollen eine Informationsplattform in allen EU- Sprachen zu Altersvorsorgesystemen, Sozialversicherungsansprüchen, Besteuerung und Portabilität sowie Informationen zum Arbeitsrecht in den Mitgliedstaaten. Wir wollen europaweit eine richtlinienkonforme Umsetzung der Entsenderichtlinie sowie deren einfache Handhabung und Durchsetzung zum Schutz entsandter Beschäftigter und effektive und effiziente Kontrollen, um gegen Missbrauch und Betrug vorgehen zu können. Dazu wollen wir eine bürokratiearme Umsetzung des deutschen Arbeitnehmer-Entsendegesetzes, eine gute Ausstattung der Kontrollbehörden und breite Beratungsangebote für entsandte und mobile Beschäftigte. Bestimmte Dienstreisen wollen wir von der Notifizierungspflicht zur A1-Bescheinigung ausnehmen, wenn vor Ort keine Dienstleistungen erbracht oder Güter veräußert werden. Wir wollen die Europäische Arbeitsbehörde nutzen, um geltendes Recht durchzusetzen und Kontrollen besser zu koordinieren. Dazu braucht es ein klares Mandat, das Mitgliedstaaten zur Kooperation und gegenseitigen grenzüberschreitende Auskunft und Inspektionen anhält.

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Aufenthalts- und Bleiberecht

Wir wollen die Visavergabe beschleunigen und verstärkt digitalisieren. Auch um transnationale Arbeitsmigration zu ermöglichen, wollen wir, dass Aufenthaltsgenehmigungen nicht bei vorübergehenden Auslandsaufenthalten erlöschen. Wir streben ein in sich stimmiges, widerspruchsfreies Einwanderungsrecht an, das anwenderfreundlich und systematisiert idealerweise in einem Einwanderungs- und Aufenthaltsgesetzbuch zusammengefasst wird.

Wir werden das komplizierte System der Duldungstatbestände ordnen und neue Chancen für Menschen schaffen, die bereits ein Teil unserer Gesellschaft geworden sind: Gut integrierte Jugendliche sollen nach drei Jahren Aufenthalt in Deutschland und bis zum 27. Lebensjahr die Möglichkeit für ein Bleiberecht bekommen (§ 25a Aufenthaltsgesetz, AufenthG). Besondere Integrationsleistungen von Geduldeten würdigen wir, indem wir nach sechs bzw. vier Jahren bei Familien ein Bleiberecht eröffnen (§ 25b AufenthG).

Der bisherigen Praxis der Kettenduldungen setzen wir ein Chancen-Aufenthaltsrecht entgegen: Menschen, die am 1. Januar 2022 seit fünf Jahren in Deutschland leben, nicht straffällig geworden sind und sich zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung bekennen, sollen eine einjährige Aufenthaltserlaubnis auf Probe erhalten können, um in dieser Zeit die übrigen Voraussetzungen für ein Bleiberecht zu erfüllen (insbesondere Lebensunterhaltssicherung und Identitätsnachweis gemäß §§ 25a und b AufenthG).

Wir wollen Geduldeten in der Ausbildung und ihren Betrieben mehr Rechtssicherheit durch eine Aufenthaltserlaubnis (§ 60c AufenthG) verleihen. Die Beschäftigungsduldung wollen wir entfristen und Anforderungen realistisch und praxistauglicher fassen. Die „Duldung light“ schaffen wir ab. Tragen Geduldete nicht zur Klärung ihrer Identität bei, wird der Zeitraum der Duldung nicht für ein Bleiberecht angerechnet. Wir werden die Klärung der Identität einer Ausländerin oder eines Ausländers um die Möglichkeit, eine Versicherung an Eides statt abzugeben, erweitern und werden hierzu eine gesetzliche Regelung im Ausländerrecht schaffen.

Arbeitsverbote für bereits in Deutschland Lebende schaffen wir ab. Einem an sich bestehenden Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis steht ein laufendes Asylverfahren nicht entgegen, sofern bei Einreise die Voraussetzungen für die Aufenthaltserlaubnis bereits vorlagen.

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Bilaterale und regionale Beziehungen

Die transatlantische Partnerschaft und die Freundschaft mit den USA sind ein zentraler Pfeiler unseres internationalen Handelns. Wir treten für eine Erneuerung und Dynamisierung der transatlantischen Beziehungen mit den USA und Kanada ein, die wir europäisch ausgestalten wollen. (...)

Wir streben eine ambitionierte Klima- und Energiepartnerschaft und eine enge Zusammenarbeit bei Menschenrechten, globaler Gesundheitspolitik, Handel, Konnektivität, internationalen Standards, Abrüstung sowie geound sicherheitspolitischen Fragen an.

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Wir werden die Ukraine weiter bei der Wiederherstellung voller territorialer Integrität und Souveränität unterstützen. Wir streben eine Vertiefung der Energiepartnerschaft mit der Ukraine an, mit starken Ambitionen in den Bereichen Erneuerbare Energie, Produktion von Grünem Wasserstoff, Energieeffizienz und CO2-Reduktion.

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Die deutsch-russischen Beziehungen sind tief und vielfältig. Russland ist zudem ein wichtiger internationaler Akteur. Wir wissen um die Bedeutung von substantiellen und stabilen Beziehungen und streben diese weiterhin an. Wir sind zu einem konstruktiven Dialog bereit. Die Interessen beider Seiten adressieren wir auf der Grundlage der Prinzipien des Völkerrechts, der Menschenrechte und der europäischen Friedensordnung, zu denen sich auch Russland bekannt hat. Wir achten die Interessen unserer europäischen Nachbarn, insbesondere unserer Partner in Mittel- und Osteuropa. Unterschiedlichen Bedrohungsperzeptionen werden wir Rechnung tragen und den Fokus auf eine gemeinsame und kohärente EU-Politik gegenüber Russland legen.

Wir fordern ein unverzügliches Ende der Destabilisierungsversuche gegen die Ukraine, der Gewalt in der Ostukraine und der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim. Der Weg zu einer friedlichen Lösung des Konflikts in der Ostukraine und die Aufhebung der diesbezüglichen Sanktionen hängt von der vollständigen Umsetzung der Minsker Vereinbarungen ab. Wir treten für die Lösung eingefrorener Konflikte in der Region ein.

Wir wollen mit Russland stärker zu Zukunftsthemen (z.B. Wasserstoff, Gesundheit) und bei der Bewältigung globaler Herausforderungen (z.B. Klima, Umwelt) zusammenarbeiten.

Wir kritisieren die umfassende Einschränkung bürgerlicher und demokratischer Freiheiten mit Nachdruck und erwarten von der russischen Regierung, dass sie der dortigen Zivilgesellschaft die Gelegenheit zum ungehinderten Kontakt mit deutschen Partnern gibt, und verstärken unser Engagement zu ihrer Unterstützung. Wir wollen die Möglichkeit des visafreien Reiseverkehrs aus Russland nach Deutschland für besonders wichtige Zielgruppen, zum Beispiel junge Menschen unter 25, schaffen.

RdW-Redaktion