RICHARD BOORBERG VERLAG

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27.12.2021

    

Vorlagefrage an EuGH: Widerrufsrecht beim Kilometerleasing

         

Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat dem Europäischen Gerichtshof Fragen zum Bestehen eines Verbraucher- Widerrufsrechts nach Abschluss eines Kilometerleasingvertrages vorgelegt. Das Gericht in Luxemburg soll dazu die Verbraucherrechte- Richtlinie (RL 2011/83/ EU) und die Fernabsatz-Richtlinie für Finanzdienstleistungen (RL 2002/65/EG) auslegen.

Ein Mann leaste bei einem Unternehmen einen Neuwagen. Der Vertrag sah eine monatliche Zahlung der Beiträge vor und sollte 48 Monate lang laufen. Ein ordentliches Kündigungsrecht war vertraglich nicht vorgesehen. Zum Vertragsende bat das Unternehmen dem Mann das Auto zum Kauf an, er musste dieses Angebot aber nicht annehmen.

Vertraglich war auch festgelegt worden, wie viele Kilometer das Fahrzeug in den 48 Monaten fahren sollte. Bei weniger als den ausgemachten Kilometern sollte das Unternehmen dem Mann einen Ausgleich zahlen, bei mehr blieb der Mann dem Unternehmen zusätzliches Geld schuldig. Der Mann schloss den Vertrag mit dem Unternehmen unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln, er und das Unternehmen standen sich also beim Vertragsschluss nicht gegenüber. Es handelte sich um einen sog. Fernabsatzvertrag.

OLG setzt Verfahren aus und befragt EuGH

Einige Zeit später widerrief der Mann den Vertragsschluss. Er verlangte die Rückabwicklung des Leasingvertrages. Da das Unternehmen dies verweigerte, klagte er. Das Landgericht Frankfurt am Main wies seine Klage ab. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) setzte das Verfahren im Berufungsprozess aus und legte es dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) mit Fragen zum Ausschluss und der Befristung eines fernabsatzrechtlichenWiderrufsrechts zur Vorabentscheidung (Art. 267 Abs. 1, Abs. 2 AEUV) vor.1

Konkret lauteten die Fragen:

1. Stellen Kraftfahrzeug-Leasingverträge mit einem Verbraucher mit Kilometerabrechnung mit einer Laufzeit von 48 Monaten Dienstleistungen in dem Bereich »Mietwagen« dar, und unterfallen sie deshalb dem Ausnahmetatbestand für ein fernabsatzrechtliches Widerrufsrecht gemäß Art. 16 lit l) RL 2001/83/EU?

2. Wenn die Frage verneint wird: Stellen Kraftfahrzeug-Leasingverträge mit einem Verbraucher mit Kilometerabrechnung Verträge über Finanzdienstleistungen im Sinne von Art. 2 lit. b) RL 2002/65/EG, die von Art. 2 Nr. 12 RL 2011/83/EU übernommen wurde, dar?

Keine Pflicht zum Kauf

Leasingverträge seien keine sonstigen entgeltlichen Finanzierungsverträge, wie der Bundesgerichtshof in einem Urteil im Februar 2021 feststellte.2 In ihnen sei keine Verpflichtung zum Erwerb des Leasinggegenstandes vorgesehen und die Richtlinie 2008/48/EG (Zweite Verbraucherkreditverträge- Richtlinie) nehme derartige Vertragsgestaltungen ausdrücklich aus dem Anwendungsbereich heraus. Daher greife für sie nicht das Widerrufsrecht nach § 506 BGB.

Widerrufsrecht aus Fernabsatzrecht?

Somit stelle sich maßgeblich die Frage, ob dem Mann ein fernabsatzrechtliches Widerrufsrecht zustehe. Die Richtlinie 2011/83/EU (umgesetzt durch § 312 g Abs. 2 Nr. 9 BGB in deutsches Recht) nimmt Dienstleistungen im Bereich Mietwagen (Kraftfahrzeugvermietung) zu einem spezifischen Termin oder Zeitraum aus dem Anwendungsbereich des fernabsatzrechtlichen Widerrufsrechts heraus. Es stelle sich somit die Frage, ob in den Bereich der Mietwagen auch Leasingverträge mit Kilometerabrechnung fielen. Dies deshalb, da bei diesen Verträgen die Gebrauchsüberlassung wie bei der reinen Miete im Vordergrund stehe und der EuGH zur Vorgängernorm entschieden habe, dass Automietverträge als Dienstleistungen im Bereich »Beförderung« anzusehen seien.3 Die Rechtsprechung sei zu dieser Frage uneinheitlich, so die Richter in Frankfurt.

Greift Ausschlussfrist von 12 Monaten?

Verneint der EuGH die Fragen, sei zu klären, ob für die Ausübung des Widerrufsrechts eine Ausschlussfrist von 12 Monaten nach Ablauf der ursprünglichen Widerrufsfrist von 14 Tagen bestehe. Von diesem Ausschlusstatbestand habe § 356 Abs. 3 S. 3 BGB ausdrücklich Verträge über Finanzdienstleistungen ausgenommen. Das Gericht gab bereits zu erkennen, das Vorliegen einer Finanzdienstleistung möglicherweise zu verneinen, nachdem bei der vorliegenden Art des Leasingvertrages der Finanzierungscharakter der Dienstleistung nicht im Vordergrund stehe.

Anna Kristina Bückmann
Quelle:
1) Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Beschluss vom 22.09.2021 – 17 U 42/20; 2) Bundesgerichtshof, Urteil vom 24.02.2021 – VIII ZR 36/20;) 3) EuGH, Urteil vom 10.03.2005 – C 336/03