RICHARD BOORBERG VERLAG

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06.03.2020

  

Voraussetzungen für Stundung des Pflichtteilsanspruchs

  

Der Erbe kann die Stundung des Pflichtteils Verlangen, wenn dessen sofortige Erfüllung für ihn eine besondere Härte darstellen würde, insbesondere, wenn sie ihn zur Aufgabe des Familienheims zwingen würde. Allerdings sind auch die Interessen des Pflichtteilsberechtigten angemessen zu berücksichtigen.

Hintergrund

Ein Erbe kann gegenüber dem Pflichtteilsberechtigten die Stundung des Pflichtteils verlangen, wenn die sofortige Erfüllung des Gesamtanspruchs für den Erben eine unbillige Härte wäre, insbesondere, wenn sie ihn zur Aufgabe des Familienheims zwingen würde, dass für den Erben die wirtschaftliche Lebensgrundlage bildet. Diese gesetzliche Regelung (§ 2331 a Abs. 1 BGB) war nunmehr Gegenstand einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Rostock.

Der Sachverhalt

Frau A wurde als Enkelin Alleinerbin ihres Großvaters. Ihr Vater (B) war testamentarisch von ihrem Großvater enterbt, sodass ihm lediglich der Pflichtteil zustand. Diesen machte B von seiner Tochter geltend. Wesentlicher Vermögenswert des Nachlasses war ein bebautes Grundstück, das zwischenzeitlich von A und ihrer Familie bewohnt wurde. Ihr Vater B verlangte seinen Pflichtteil aus dem Wert des Grundstücks.

Dem trat die Erbin A nach jahrelangem Rechtsstreit gerichtlich mit dem Antrag, ihr die Stundung bezüglich der Pflichtteilsansprüche zuzusprechen, entgegen. Denn die Erfüllung dieser Zahlungsansprüche beinhalte für sie eine unbillige Härte, da sie mit fünf Kindern das betroffene Haus bewohne. Das von B behauptete Kaufangebot von dritter Seite habe nicht vorgelegen. Im Übrigen habe sie ein Darlehen in Höhe von 46 000 € aufnehmen müssen, da das Haus umfassend renoviert werden müsse.

Nach Auffassung des Oberlandesgerichts Rostock hatte die Erbin A keinen Anspruch auf Stundung der Pflichtteilsansprüche ihres Vaters.

Interessen des Pflichtteilsberechtigten überwiegen

Nach Überzeugung des Gerichts überwog im vorliegenden Fall das Interesse des B deutlich den Wünschen der Erbin A am Behalten des Familienheims.

Denn bei der Stundung dürfen nicht nur die Interessen des Erben eine Rolle spielen. Vielmehr seien auch die Interessen des Pflichtteilsberechtigten angemessen zu berücksichtigen, da sich im Todesfall sein Anspruch auf Teilhabe am Erbe realisiere. Dabei sei zu berücksichtigen, dass die Erbin A hier durch einen mit allen Mitteln geführten Rechtsstreit bereits eine lange Verzögerung erreicht hatte. Durch diesen Rechtsstreit sei faktisch eine Hinauszögerung ihrer Zahlungspflicht an den Pflichtteilsberechtigten für die Dauer von fünf Jahren erreicht worden.

Im Übrigen komme eine Stundung auch dann nicht in Betracht, wenn absehbar sei, dass der Erbe – hier A – auch durch Stundung nicht in die Lage versetzt werde, sich jemals die Mittel zur Erfüllung des Pflichtteilsanspruchs zu verschaffen. Denn A verfüge auch fünf Jahre nach dem Todesfall lediglich über Elterngeld sowie ein geringes Entgelt aus einer Teilzeitbeschäftigung sowie Kindergeld. Es sei daher nicht absehbar, wann bei einer zugesprochenen Stundung jemals eine Zahlung der Pflichtteilsansprüche erfolgen könne.

Bei der Interessenabwägung sei ferner zu berücksichtigen, dass A im Jahr 2014 und damit zu dem Zeitpunkt, zu dem ihre Erbenstellung feststand, über ein anderes Familienheim verfügte. Es bestand somit für sie keine Notwendigkeit, das noch unbewohnbare Haus des Großvaters wieder bewohnbar zu machen, zumal sie nicht über die erforderlichen Mittel verfügte. Ihr hätte vielmehr bereits seinerzeit klar sein müssen, dass vor einer Renovierung evtl. Pflichtteilsansprüche zu befriedigen seien.

Schließlich komme hinzu, dass die Erbin A ein durchaus akzeptables Kaufangebot von dritter Seite grundlos ausgeschlagen hatte.

Somit kam das Gericht in Abwägung der gegenseitigen Interessen zu dem Ergebnis, der Erbin A keine Stundung der Pflichtteilsansprüche zuzusprechen.

Klaus Krohn