RICHARD BOORBERG VERLAG

×

10.02.2020

  

Verstößt die deutsche Vorratsdatenspeicherung gegen EU-Recht?

   

Das Bundesverwaltungsgericht hat dem Gerichtshof der Europäischen Union die Frage zur Klärung vorgelegt, ob eine nationale Regelung, die eine Pflicht zur anlasslosen Vorratsdatenspeicherung vorsieht, unter keinen Umständen auf EU-Recht gestützt werden kann. Von der Klärung dieser Frage hängt die Anwendbarkeit der im Telekommunikationsgesetz enthaltenen Regelungen zur Vorratsdatenspeicherung ab.

Hintergrund

Telekommunikationsdienste, die öffentlich zugängliche Internetdienste oder Telefondienste für Endbenutzer erbringen, sind gesetzlich verpflichtet, Telekommunikationsverkehrsdaten ihrer Kunden auf Vorrat zu speichern (§ 113 a Abs. 1, § 113 b TKG). Für die Dauer von zehn Wochen zu speichern sind etwa die Rufnummern der beteiligten Anschlüsse, Beginn und Ende der Verbindung oder der Internetnutzung bzw. die Zeitpunkte der Versendung und des Empfangs einer Kurznachricht, zugewiesene Internetprotokoll- Adressen und Benutzerkennung sowie Kennungen der Anschlüsse und Endgeräte.

Für die Dauer von vier Wochen sind zudem Standortdaten zu speichern, also im Wesentlichen die Bezeichnung der bei Beginn der Verbindung genutzten Funkzelle.

Nicht gespeichert werden dürfen hingegen der Inhalt der Kommunikation, Daten über aufgerufene Internetseiten, Daten von E-Mail Diensten.

Mit Ausnahme der Internet Protokoll- Adressen (IP-Adressen) können auf Vorrat gespeicherte Daten von den zuständigen Behörden nur zur Verfolgung besonders schwerer Straftaten oder zur Abwehr einer konkreten Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person sowie den Bestand der Bundesrepublik verwendet werden. Zwei Telekommunikationsanbieter, Telekom und der Internetprovider Spacenet, waren der Auffassung, dass sie dieser gesetzlichen Pflicht zur Vorratsdatenspeicherung nicht nachkommen müssten, da die deutsche Regelung gegen EU-Recht verstoße. Deshalb zogen sie vor Gericht. Das mit der Sache befasste Bundesverwaltungsgericht hat ebenfalls Bedenken an der deutschen Regelung und hat nunmehr vorab dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) die Frage vorgelegt, ob eine nationale Regelung, die eine Verpflichtung zur anlasslosen Vorratsdatenspeicherung vorsieht, unter keinen Umständen auf die EU-Datenschutzrichtlinie gestützt werden kann.

Frühere Entscheidung des EuGH

Bereits im Jahre 2016 hatte sich der EuGH mit dem Thema Vorratsdatenspeicherung eingehend befasst; dort ging es um entsprechende gesetzliche Regelungen in Großbritannien und Schweden. In seiner damaligen Entscheidung hat der EuGH klargestellt, dass EU-Recht einer allgemeinen und unterschiedslosen Vorratsdatenspeicherung zur Bekämpfung von Straftaten entgegenstehe.

Da es sich bei den damaligen Regelungen allerdings um viel einschränkendere Maßnahmen in Schweden und Großbritannien handelte, besteht nunmehr Klärungsbedarf in Bezug auf die Frage, ob die deutsche Regelung in § 113 a und § 113 b TKV, die keine so weitgehenden Einschnitte vorsieht, mit EU-Recht vereinbar sein könnte.

Im Zentrum der beim EuGH anstehenden Erwägungen steht das Spannungsverhältnis zwischen dem EU-rechtlich verankerten Grundrecht auf Achtung der Privatsphäre und auf Schutz personenbezogener Daten einerseits und der aus EU-Recht gleichfalls folgenden Pflicht der Mitgliedstaaten, die Sicherheit der sich dort aufhaltenden Personen zu gewährleisten.

Anmerkung:

Bis zur Entscheidung des EuGH hat das Bundesverwaltungsgericht die beiden Revisionsverfahren ausgesetzt.

Klaus Krohn
Quelle:
Beschlüsse des Bundesverwaltungsgerichts vom 25.09.2019 – 6 C 12.18 sowie 6 C 13.18