Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat ein Verfahren zur unterschiedlichen Bezahlung von Nachtarbeit ausgesetzt. Die Richterinnen und Richter in Erfurt wollen abwarten, bis der Europäische Gerichtshof (EuGH) über die Frage entschieden hat, ob eine solche unterschiedliche Regelung mit dem EU-Recht vereinbar ist.1
Diesmal ging es vor dem BAG um den Fall eines Mitarbeiters aus der Süßwarenindustrie. Der Mann arbeitete in wechselnden Schichten in der Nacht. Dafür erhielt er nach dem Bundesmanteltarifvertrag für die Angestellten, gewerblichen Arbeitnehmer und Auszubildenden der Süßwarenindustrie vom 14.05.2007 einen Zuschlag.
Mitarbeiter verlangt mehr Geld
Der Vertrag machte bei den Nachtschichten Unterschiede: für Nachtarbeit in Schichtarbeit und Wechselschichtarbeit, die in die Nachtzeit von 22:00 bis 06.00 Uhr fällt, war ein Zuschlag von 15 % je Stunde vorgesehen. Bei solchen, die regelmäßig länger als 14 Tage überwiegend in dieser Nachtzeit liegen, sollte ein Zuschlag von 20 % je Stunde gezahlt werden. Sonstige Nachtarbeit wurde nach dem Vertrag mit 60 % je Stunde zusätzlich vergütet. Der Mitarbeiter forderte vom Unternehmen, ihm die höchsten Zuschläge von 60 % zu zahlen. Die unterschiedliche Bezahlung verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 GG und den unionsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz.
Arbeitgeberin will nicht zahlen
Seine Arbeitgeberin sah dies anders: Die allenfalls mittelbar an die Grundrechte gebundenen Tarifvertragsparteien hätten den ihnen nach Art. 9 Abs. 3 GG zukommenden weiten Gestaltungs- und Beurteilungsspielraum eingehalten. Der Zuschlag für unregelmäßige Nachtarbeit solle nicht nur die Erschwernis für die Arbeit in der Nacht ausgleichen, sondern diene auch dem Schutz der Freizeit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Die Anpassung nach oben erweitere den Kostenrahmen der Arbeitgeberin in unzumutbarem Umfang. Der Mann zog in Hamburg vor Gericht. Die Vorinstanzen lehnten sein Begehren ab.
BAG setzt Verfahren aus
Das BAG setzte den Rechtsstreit zunächst aus. Denn beim EuGH liegen bereits zwei andere Verfahren aus Erfurt – mit ganz ähnlichem Rechtsstreit.2 Zu den Verfahren – in einem Fall hatte ein Mitarbeiter von Coca Cola Deutschland geklagt – hatte das Gericht dem EuGH u.a. die folgende Frage vorgelegt: Ist eine Regelung mit dem Gleichheitsgrundsatz der Europäischen Grundrechte-Charta vereinbar, die für unregelmäßige Nachtarbeit einen höheren Ausgleich vorsieht als für regelmäßige Nachtarbeit, wenn damit neben den gesundheitlichen Beeinträchtigungen durch die Nachtarbeit auch Belastungen wegen der schlechteren Planbarkeit von unregelmäßiger Nachtarbeit ausgeglichen werden soll? Es bleibt abzuwarten, wie die Juristinnen und Juristen in Luxemburg entscheiden.
AG Eberswalde gab Eiscreme-Mitarbeiterin höheren Zuschlag
Übrigens: in einem anderen Fall hatte das Arbeitsgericht Eberswalde in Brandenburg entschieden, dass die unterschiedliche Vergütung bei Nachtarbeit rechtswidrig ist.3 Eine Mitarbeiterin einer Herstellerin von Eiscreme hatte geklagt. Sie erhielt für ihre Nachtarbeitsstunden einen Zuschlag von 15 %. Der für das Unternehmen geltende Manteltarifvertrag sah dieses Plus zum Stundenlohn für Schichtarbeit und Wechselschichtarbeit, die in die Nachtzeit von 22 bis 6 Uhr fielen, vor. Für sonstige Nachtarbeit galten wie in dem obigen Fall des Mitarbeiters aus Hamburg 60 %. Die ungleiche Bezahlung sei eine Ungleichbehandlung ohne rechtfertigenden Grund.
Die brandenburgischen Richter bezogen sich mit ihrem Urteil auf eine Entscheidung des BAG aus dem Jahr 2018.4 Darin hatten die Bundesrichterinnen und Bundesrichter entschieden, eine tarifvertragliche Regelung ist rechtswidrig, die Schichtarbeiterinnen und Schichtarbeiter gleichheitswidrig schlechter stellt, indem sie für allgemeine Nachtarbeit einen Zuschlag von 50 % vorsieht, für Nachtarbeit im Schichtbetrieb aber lediglich einen Zuschlag von 15 %. Das Gericht in Eberswalde entschied, der Eiscreme-Hersteller muss der Mitarbeiterin die höheren Zuschläge nachzahlen.